Über seine nicht unumstrittene Reputation in der Bevölkerung macht sich Walter Hohlefelder keine Illusionen: "Natürlich hat der Lobbyist, sagen wir mal, einen schwierigen Klang in Deutschland. Und der Atomlobbyist ist natürlich noch mal eine Steigerung." Hohlefelder weiß, wovon er spricht. Seit 2004 ist er oberster Interessenvertreter der bundesrepublikanischen Kernenergie-Wirtschaft. Der frühere Eon-Manager steht als Präsident an der Spitze des Deutschen Atomforums. Am 26. Mai 1959 gegründet und seit 1961 als gemeinnütziger Verein anerkannt, blickt der Industrie-Verband auf eine wechselvolle Geschichte zurück. 50 Jahre Atomkraft in Deutschland - das ist eine Geschichte voller Versprechen und Visionen, aber auch voller Konflikte und Rückschläge.
Die Erwartungen an die friedlichen Nutzungschancen der Atomenergie kennen zu Beginn der 50er Jahre keine Grenzen. "Ein Reich voll elektrischer Energie", sieht die Kernkraft-Lobby voraus, das "die Energieversorgung der Menschheit auf ewige Zeiten" sichern wird, so erinnert sich Walter Hohlefelder. 1955 gibt Bundeskanzler Konrad Adenauer der Industrie mit Einrichtung eines Atom-Ministeriums die gewünschte politische Rückendeckung zum raschen Bau von Kernkraftwerken. Ohne diese staatliche Übernahme eines Großteils des unberechenbaren Risikos, davon ist Historiker Joachim Radkau von der Universität Bielefeld überzeugt, "wäre die Entwicklung nie angelaufen." Ab 1967 dann werden in der Bundesrepublik beinahe 30 Atomanlagen gebaut. Gundremmingen, Lingen, Obrigheim, Jülich, und mehr. Im Schnitt geht alle zehn Monate ein neuer Reaktor in Betrieb. Stets sorgt die Atom-Lobby mit "deftigem Schmieren", so Professor Radkau, bei der lokalen Bevölkerung für die Zerstreuung der überall auftretenden Widerstände und das Verstummen kritischer Stimmen.
Doch gegen die rasant anwachsende Bewegung der Kernkraftgegner hat die PR-Maschinerie des Atomforums keine Chance. Ab Mitte der 70er Jahre protestieren Hunderttausende in Wyhl, Wackersdorf, Gorleben und später in Brokdorf mit Sitzblockaden und Bauplatzbesetzungen gegen den Ausbau einer bis in ungewisse Zeiten strahlenden Zukunft. Durch Planungsfehler in Hamm-Uentrop, ausufernde Kosten in Mülheim-Kärlich oder dauernde Sicherheitspannen in Kalkar liefert die Atomindustrie ihren Gegnern dann zunehmend selbst die besten Argumente. 1986 führt die Katastrophe von Tschernobyl der ganzen Welt brutal die Folgen eines Reaktorunfalls vor Augen. "Mit Tschernobyl war klar, das wir in eine wirklich tiefe Akzeptanz-Krise hineinlaufen würden", räumt Atomforums-Präsident Hohlefelder ein.Den zunächst von den Grünen betriebenen und 2001 von Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündeten Ausstieg aus der Kernkraft kann die Energiewirtschaft allerdings dank erfolgreicher Lobbyarbeit weitgehend nach ihren Vorstellungen gestalten. Und seit der Klimawandel erneut die Vorteile der angeblich "sauberen" Atomkraft in den Mittelpunkt der Energie-Diskussionen rückt, blickt auch Walter Hohlefelder wieder optimistisch in die Zukunft: "Totgesagte leben länger."
Stand: 26.05.09