"Die deutschen Arbeitnehmer haben wieder einen Gewerkschaftsbund. Das heißt, das Instrument, das ihnen die Gewähr gibt, die Zukunft der arbeitenden Menschen zu einer besseren zu gestalten", sagt Hans Böckler am 12. Oktober 1949 beim Gründungskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in München - sechs Monate nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Böckler, der bisherige Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes in der britischen Zone, wird zum ersten DGB-Vorsitzenden gewählt. Zudem werden zwei Stellvertreter und acht hauptamtliche Vorstandsmitglieder bestimmt. Die Vorsitzenden der 16 beteiligten Einzelgewerkschaften gehören ebenfalls zum Gesamtvorstand. Der DGB wird zur Dachorganisation von insgesamt rund fünf Millionen Gewerkschaftsmitgliedern. Als Sitz des Bundesvorstandes ist Düsseldorf vorgesehen.
Am dreitägigen Kongress nehmen 800 Delegierte und Gastdelegierte aus dem Ausland teil: Neben zwei amerikanischen Gewerkschaften sind auch Vertreter aus Italien, der Schweiz, Österreich, Dänemark, Norwegen, Schweden, Belgien und dem damals noch französischen Saarland erschienen. Als offizielle Abgesandte der Bundesregierung nehmen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) und Bundesarbeitsminister Anton Storch (CDU) an der Tagung teil. In seinem zweistündigen Referat erklärt Böckler: "Unsere Absicht ist auf eine Demokratisierung der Wirtschaft und auf eine Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft in allem wirtschaftlichen Geschehen gerichtet." Eine "Renaissance des sozialen Gewissens" sei notwendig. Die Mitbestimmung solle sich nicht nur auf personelle Angelegenheiten, sondern auch auf betriebswirtschaftliche Fragen erstrecken. Die "Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien" stellt Böckler als eine absolute Notwendigkeit dar: "Sie muss den Schlussstein des wirtschaftsdemokratischen Aufbaus in unserem Land bilden. Sie darf allerdings nicht nach östlicher Prägung erfolgen."
Den Gewerkschaftsführern geht es nicht nur um Lohn und Arbeit, sondern auch um Werte und Ideale. Sie wollen Hüter der Demokratie sein. Nach den Erfahrungen der Nazi-Zeit ist Böckler zum Äußersten entschlossen: "Wir sind unnachgiebig in der Verteidigung der demokratischen Einrichtungen, auf denen unser aller Wohl beruht. Ein zweites 1933 darf und wird es nie geben." Denn: "Wirtschaftliche Machtzusammenballungen in politische Macht umgesetzt, haben ein demokratisches Staatsgefüge, wie die Republik von Weimar, mit zerstört." Zum Schluss des Kongresses ruft Böckler: "Es lebe die deutsche Arbeiterbewegung, es lebe die Internationale in Freiheit und Unabhängigkeit!" Dann stimmen die Delegierten die Arbeiter-Hymne "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" an.
Stand: 12.10.04