Stichtag

03. April 2010 - Vor 60 Jahren: Kurt Weill stirbt in New York

Berlin, Mitte der 1920er Jahre: Komponist Kurt Weill und seine Frau, die Schauspielerin Lotte Lenya, wohnen in einem kleinen Pensionszimmer in Berlin-Schöneberg. Am Tag arbeitet Weill am Klavier, abends stürzt sich das Paar in das Berliner Nachtleben: Neues Kino, experimentelles Theater, atonale Musik. Für Weill ist Berlin "eine kreativ-abgründig-fröhliche Revue", in die er eintaucht, um am Schreibtisch wieder aufzutauchen. Er hat ein Gespür für den musikalischen Zeitgeist und rebellische Literatur. Mit Schriftsteller Bertolt Brecht entwickelt Weill das sogenannte epische Theater. Weills Tonsprache greift Elemente aus Jazz, Ballade, Moritat und Kabarettchansons auf. Wie Brechts Texte zielt sie darauf ab, bei den Zuschauern eine kritische Distanz zum Dargestellten hervorzurufen - statt einer Identifikation mit den Helden der Stücke.

Streitbares Tandem

Das erste Werk von Weill und Brecht gefällt dem Publikum nicht: Die Premiere des Songspiels "Mahagony" wird 1927 eine Viertelstunde lang ausgepfiffen. Aber die Zusammenarbeit der beiden geht 1928 mit der "Dreigroschenoper" weiter. Die Produktion verläuft chaotisch. Brecht fügt immer wieder neue Texte hinzu, andere streicht er. Einen Tag vor der Premiere rennt der sonst schweigsame Weill brüllend durch das Haus. Auf den Plakaten fehlt der Name seiner Frau, die die Seeräuberjenny spielt. Will Brecht die Lorbeeren für sich allein? Ist Weills Musik für ihn nur eine Beigabe zu seinen Texten? Schon im Vorfeld musste Weill dafür kämpfen, im Programmheft überhaupt genannt zu werden. "Die Dreigroschenoper" wird ein großer Erfolg. Schon ein Jahr später haben mehr als 50 Bühnen das Stück im Spielplan. Während der Film "Die Dreigroschenoper" ensteht, streiten sich Weill und Brecht juristisch um die künstlerischen Rechte. Trotzdem arbeiten sie als Tandem weiter: Sie inspirieren sich, aber sie werden keine Freunde - zu verschieden sind ihre Charaktere und zu groß die gegenseitigen Verletzungen.

Broadway-Star

Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen, flieht Weill über Frankreich ins amerikanische Exil: Er wurde am 2. März 1900 als Sohn des Kantors der jüdischen Gemeinde in Dessau geboren. Seine Partituren landen auf den Scheiterhaufen der Nazis. In den USA komponiert Weill Filmmusik und Broadway-Musicals. Er wird amerikanischer Staatsbürger. "In meinen Träumen kommt längst kein einziges deutsches Wort mehr vor", sagt Weill 1941 in einer Radiosendung: "I'm an American." Als er am 3. April 1950 in New York stirbt, ist Weill ein gefeierter Broadway-Star, der nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzte.

Stand: 03.04.10