Am Neujahrstag 1958 wird Franz Hengsbach feierlich in sein Amt als erster Bischof des neu gegründeten Bistums Essen eingeführt. In Hengsbachs Bischofsring glänzt statt eines Edelsteins ein Stück geschliffener Steinkohle. Damit will er seine Verbundenheit mit den Bergarbeiterfamilien im Ruhrgebiet auszudrücken. "Nun gehören wir zusammen", ruft er den 15.000 Gläubigen in Essen zu. "In Gottes Namen wollen wir die erste Schicht verfahren. Glück auf!" Hengsbach kommt selbst aus einfachen Verhältnissen. Er wird am 10. September 1910 im sauerländischen Velmede geboren. Der Bauernsohn ist das älteste von acht Kindern. Franz kommt früh mit der katholischen Kirche in Kontakt: Sein Vater ist nebenher Küster, er selbst Messdiener. Seine Mutter schickt ihn in schlechten Zeiten häufig zu einem Onkel nach Gelsenkirchen, der Pastor ist.
Einsatz für "Kumpel"
Nach dem Theologiestudium in Paderborn und Freiburg wird Hengsbach 1937 zum Priester geweiht und Vikar in einer Bergarbeitersiedlung in Herne-Baukau. Dort betreut er in der Nazi-Zeit auch polnische Zwangsarbeiter und lernt deren Sprache. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt er sich für die Aussöhnung der polnischen und deutschen Kirche ein. Dabei freundet er sich mit dem Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla an, der ihn 1988 - als Papst Johannes Paul II. - zum Kardinal ernennt. Bis dahin hat Hengsbach als Ruhrbischof allerdings noch viel Arbeit vor sich. In der Zeit des Zechen-Sterbens marschiert Hengsbach an der Spitze von Protestzügen. Er ist überzeugt, dass die Kirche nicht "wie ein stummer Hund da stehen" dürfe, "wenn es um die Rechte des Menschen" gehe. Hengsbach will im Sinn der katholischen Soziallehre zwischen Arbeit und Kapital vermitteln. Deshalb richtet er in seinem Haus ein Art "runden Tisch" ein. Wenn er zum Tee lädt, kommen Ruhrbarone ebenso wie Gewerkschaftsbosse.
Konservativ und papsttreu
Doch Hengsbach ist kein Sozialrevolutionär. Die Theologie der Befreiung, die in den 1970er Jahren in den Militärdiktaturen Lateinamerikas für soziale Gerechtigkeit kämpft, lehnt er ab. Ein Priester soll aus seine Sicht den Menschen dienen, nicht die Gesellschaft verändern. Er gehört zu den Gründern des speziell für Lateinamerika eingerichteten Hilfswerks Adveniat. Hengsbachs Motto: "Wir müssen da helfen, sonst wird dieser Kontinent kommunistisch." Er will mit dem Bau neuer Kirchen, der Gründung katholischer Privatschulen und Ausbildungsstätten für Priester den Glauben stärken. Auch in anderen religiösen Fragen ist Hengsbach konservativ und papsttreu. Er will weder über eine Demokratisierung der Kirche noch über die Stellung der Laien diskutieren. Wie Papst Johannes Paul II. schätzt auch Hengsbach die umstrittene Organisation "Opus Dei" ("Werk Gottes"), mit deren Gründer Josemaría Escrivá er befreundet war. Als in Essen ein Schwangerschaftsberatungszentrum gebaut werden soll, in dem auch Abtreibungen möglich sind, demonstriert Hengsbach dagegen. 1987 entzieht er der Theologin Uta Ranke-Heinemann die Lehrerlaubnis, als sie die Jungfräulichkeit Marias bezweifelt.
Im Februar 1991 nimmt Johannes Paul II. das Rücktrittsgesuch von Kardinal Hengsbach an. Er stirbt am 24. Juni 1991 im Alter von 80 Jahren in einem Essener Krankenhaus an den Folgen einer Darmentzündung.
Stand: 10.09.10