Sogar Schulkinder in China erkennen Pavarotti angeblich am Klang seiner Stimme. Eine Stimme, die zu Glanzzeiten innerhalb von zweieinhalb Minuten neunmal das hohe C erklimmt. Die mit natürlicher Kraft und einzigartig metallisch-klarem Timbre auch die gefürchtetsten Arien im halsbrecherischen Belcanto-Parforceritt bewältigt und selbst die elitärsten Opernliebhaber zu euphorischer Raserei treibt. Doch seinen globalen und alle Publikumsschichten umspannenden Ruhm als größter Tenor aller Zeiten verdankt Luciano Pavarotti nicht seinem strapazierfähigen Kehlkopf, sondern einem geschickten PR-Schachzug im Spätherbst seiner Karriere.Zur Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 schmettert Pavarotti Puccinis erprobte Tränen-Arie "Nessun dorma" aus der Oper "Turandot". Der Auftritt vor einem medialen Milliardenpublikum macht den schwergewichtigen Sänger mit feurigem Blick, schwarzem Frack und weißem Schal endgültig zum universalen Inbegriff des italienischen Star-Tenors.
Charisma und Geschäftssinn
Der Bäckersohn, am 12. Oktober 1935 in Modena geboren, beginnt seinen Lebensweg als Lehrer. Nach einer Gesangsausbildung feiert Pavarotti mit 26 Jahren sein Debüt als Opersänger. Es ist der Start einer unvergleichlichen Bilderbuchkarriere. Mailänder Scala, Covent Garden London, New Yorker Met – zehn Jahre später zählt der noch recht schlanke Sänger mit dem romantischen Timbre zur internationalen Crème der Opern-Tenöre. Als Großverdiener mit sechsstelligen Abendgagen und lukrativen Werbeverträgen lässt der charismatische Italiener in den Achtzigern alle Konkurrenten hinter sich. Mit dem kommerziellen Erfolg von "Nessun dorma" bei der WM 1990 sprengt Luciano Pavarotti die Grenzen zwischen klassischer und Unterhaltungsmusik. Geschäftstüchtig nutzt der Klassik-Popstar die neu gewonnene Popularität zu kassenträchtigen Aufnahmen mit klassikfernen Stars wie Sting, Eric Clapton oder Elton John.
Bewegender Abschied von Big P
Als Zugpferd der "Drei Tenöre" füllt Luciano Pavarotti zusammen mit Placido Domingo und José Carreras weltweit die größten Stadien. Doch Ruhm und Jet-Set-Leben fordern dem maßlosen Bonvivant ihren Tribut ab. Mitte der 90er Jahren gerät das omnipräsente Schwergewicht nicht nur stimmlich in die Krise. Pavarotti muss Konzerte absagen, kämpft einen aussichtslosen Kampf gegen seine Kilos und lässt sich scheiden, um eine 35 Jahre jüngere Freundin zu heiraten. Mit dem Cavaradossi, seiner Paraderolle aus "Tosca", gibt Pavarotti im März 2004 an der Met seine Abschiedsvorstellung. 4.000 Menschen jubeln ihm noch einmal ergriffen zu, obwohl "The Big P" sich kaum noch bewegen kann und seine berühmten hohen Töne Glanz und Klarheit verloren haben. Am 6. September 2007 stirbt Luciano Pavarotti in seiner Geburtsstadt Modena an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Stand: 12.10.10