Die Engländer an der Küste warten schon seit Wochen. Und endlich, am 2. Oktober 1501, sehen Späher spanische Flaggen auf dem Meer. Das muss sie sein: die spanische Prinzessin Katharina von Aragón. Sie geht an Land, um die Frau des Prinzen von Wales zu werden. Alle Glocken läuten und Freudenfeuer lodern, von Anfang wird sie vom englischen Volk geliebt. Ihr zukünftiger Gemahl Arthur Tudor ist noch nicht fünfzehn Jahre alt, sie selbst sechzehn. Der Schwiegervater, König Heinrich VII., ist zufrieden, ebenso sein Sohn: Katharina soll schön sein, mit hüftlangem rotgoldenem Haar und frischer Haut. Sie kommt als gebildete Frau nach England, spricht Latein und Französisch, hat die Schriften der Kirchenväter und die Geschichte der europäischen Königshäuser studiert. Was die Prinzessin, geboren am 16. Dezember 1485, von dem kleinen, körperlich unterentwickelten Jungen hält, der ihr als Bräutigam vorgestellt wird, ist nicht überliefert.
"Die schönste Hand, die ich berührt"
Bei dieser Heirat geht es allein um Politik: In Katharinas drittem Lebensjahr hatten die Königshäuser von Spanien und England den Heiratsvertrag geschlossen, um ein starkes Bündnis zu schmieden. Auf der prachtvollen Hochzeit in der St. Paul's Cathedral führt der kleine Bruder des Bräutigams, Heinrich, Katharina durchs lange Mittelschiff zum Altar. "Die schönste Hand, die ich berührt", erinnert sich Heinrich. Die Ehe Katharinas mit Arthur dauert kein halbes Jahr, dann stirbt der Gemahl. Nach unsicheren Jahren, in denen die junge spanische Witwe hin- und hergeschoben wird, stirbt auch ihr Schwiegervater, König Heinrich VII., am 21. April 1509. Sein noch nicht ganz 18-jähriger Sohn Heinrich folgt ihm als Heinrich VIII. auf den Thron. Der führt seine Schwägerin Katharina am 11. Juni 1509 erneut vor den Altar - dieses Mal als seine Braut, die erste von insgesamt sechs Ehefrauen.
Ehe für nichtig erklärt
Die ersten Ehejahre verlaufen harmonisch. Heinrich schätzt die fünf Jahre ältere Katharina als Partnerin und politische Beraterin. Doch er ist besessen vom Wunsch nach einem männlichen Erben. Katharina wird immer wieder schwanger, doch nur eines der Kinder überlebt das Säuglingsalter: die Tochter Maria, die später Königin von England wird. Langsam geht Heinrich VIII. auf Distanz zu seiner Frau. Als er sich in die kluge und selbstbewusste Anna Boleyn verliebt, will er sich endgültig trennen und die Ehe mit Katharina für ungültig erklären lassen. Das ist der Beginn einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Papst und der Katholischen Kirche, die einer Ehescheidung nicht zustimmen. Schließlich löst Heinrich die englische Kirche aus der Einheit der katholischen Glaubensgemeinschaft heraus und macht sich selbst zum Oberhaupt der späteren Anglikanischen Kirche. Im Januar 1533 heiratet Heinrich heimlich die schwangere Anna Boleyn, die Ehe mit Katharina wird im Mai für nichtig erklärt.
Katharina fühlt sich weiterhin als Königin
Katharina erträgt die Verbannung in verschiedenen entlegenen Schlössern und Landsitzen mit Frömmigkeit und Würde. Sie gibt ihren Anspruch, rechtmäßige Königin von England zu sein, nie auf – bis zu ihrem Tod am 7. Januar 1536. Am Morgen ihres Todestages empfängt sie die Sakramente und diktiert einen Brief an Heinrich: "Für mein Teil vergebe ich Ihnen alles und bete zu Gott, dass auch er Ihnen vergeben möge. Ich lege Ihnen unser Tochter Maria ans Herz und flehe Sie an, ihr ein guter Vater zu sein. Schließlich versichere ich Ihnen aufrichtig, dass ich mir nichts mehr wünsche, als Sie wiederzusehen." Sie unterzeichnet mit "Katharina, Königin von England".
Stand: 07.01.2011
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