Der britische Afrikaforscher David Livingstone wird vermisst. Er hat sich 1866 auf die Suche nach der Quelle des Nils gemacht und ist seither verschollen. Der Verleger des "New York Herald", Gordon Bennett, vermutet eine große Story und schickt den Reporter Henry Morton Stanley los. Der Kriegsberichterstatter wurde am 28. Januar 1841 als John Rowlands in Wales geboren und wuchs im Waisenhaus auf. Anschließend schlug er sich in Nordamerika durch und wurde von einem reichen Kaufmann aufgenommen, dessen Namen er seither trägt. Stanley reist nach Tansania und bricht 1871 zu einer langwierigen Rettungsaktion auf. Nach neun Monaten hat die Suche endlich Erfolg und er kann den Vermissten begrüßen: "Doktor Livingstone, wie ich vermute?" Nach seiner Rückkehr schreibt Stanley sein erstes Buch mit dem Titel "Wie ich Livingstone fand". Die Reportage macht ihn schlagartig bekannt.
Im Dienst von Leopold II.
Nach dem Tod von Livingstone, der ein Jahr nach seiner Rettung stirbt, macht sich Stanley selbst auf die Suche nach der Nil-Quelle - obwohl er Afrika eigentlich hasst: "Ich verabscheue dieses Land von Herzen". Diesen Hass bekommen auch seine afrikanischen Träger und die Einheimischen zu spüren. In seinen Büchern beschreibt Stanley später, welche Strafen er aussprach: "Die beiden Betrunkenen zu 100 Peitschenhieben verurteilt, danach sechs Monate in Ketten gelegt." Stanley befährt als erster den Kongo in seiner ganzen Länge und stellt fest, dass Livingstones Vermutung falsch war: Der Lualaba-Fluss ist nicht die Quelle des Nils, sondern des Kongos.
Daraufhin bietet Stanley dem britischen Empire seine Hilfe bei der Kolonisierung des Kongos an, wird aber zurückgewiesen. Doch dann beauftragt ihn der König von Belgien, Leopold II., das Kongobecken zu erforschen. Im Dienst der Wissenschaft und im Kampf gegen die Sklaverei, so lautet die offizielle Mission. In Wirklichkeit will Leopold II. das Land wirtschaftlich ausbeuten. Stanley hilft ihm dabei, indem er fingierte Verträge aufsetzt. Die Häuptlinge werden so zu Gebietsübertragungen und zur Bereitstellung von Arbeitskräften verpflichtet - ohne entsprechende Gegenleistung.
Hände und Arme abgehackt
Auf seinen Reisen gründet Stanley einige Städte - unter anderem Leopoldville, das heute Kinshasa heißt und die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo ist. Die Einheimischen zwingt er, Straßen anzulegen und vor allem Kautschuk zu gewinnen. Wer nicht genug liefert, werden als Bestrafung Hände oder Arme abgehackt. Stanley erhält den Spitznamen "Bula Matari", was so viel wie "Zermalmer der Steine" bedeutet.
Zurück in England wird Stanley gefeiert und 1899 sogar zum Sir ernannt. "Sein Image verschlechtert sich erst, als klar wird, dass in Belgisch-Kongo sich äußerst grausame Sachen abspielten", sagt Professor Andreas Eckert, Afrikaforscher an der Humboldt-Universität Berlin. Als Stanley am 10. Mai 1904 stirbt, ist sein Ansehen dahin. Sein letzter Wunsch, neben Livingstone in Westminister Abbey beigesetzt zu werden, wird ihm wegen seiner Gräueltaten verweigert.
Stand: 28.01.2011
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