Stichtag

11. August 1711 - Einweihung der Pferderennbahn von Ascot

Als Königin Anne 1711 mit ihrer Gesellschaft in die Umgebung des Schlosses Windsor ausreitet, entdeckt sie East Cote, eine Heidelandschaft bewachsen von Gestrüpp und Stechginster. Weil die königlichen Pferde eine Teststrecke für die Jagd brauchen, befiehlt sie, auf dem Gelände eine Galopprennbahn zu bauen. Unter der Leitung des Master of the Royal Buckhounds, dem obersten Hundeführer der Krone, legen vier Männer, ein Gartenarchitekt, ein Zeichner, ein Zimmermann und ein Maler, die Rennbahn an. Am 11. August 1711 führen Jockeys zum ersten Mal sieben Pferde an den Start, die Königsfamilie vergnügt sich in bunten Zelten. Drei Läufe von jeweils vier Meilen, rund 6,4 Kilometern - dies sind die Anfänge des Royal Ascot, des heute größten Galopprennen Europas, auf dem die schnellsten Vollblüter und die feinsten Hutträger aufeinander treffen.

Eisenbahn bringt Volk bis an die Rennbahn

Von jeher haben die Engländer eine Vorliebe für Pferderennen, verbinden sie doch perfekt die Leidenschaft für Spiel und Wette mit der Kultur des Landlebens. Die ersten Galopprennen finden nachweislich bereits während der römischen Besatzungszeit unter dem Kaiser Lucius Septimius Severus statt. Nach Ascot kommen zunächst Mitglieder des Königshauses und des gehobenen Bürgertums, der Upper Class. Eine neue Ära beginnt mit Königin Viktoria und der Erfindung der Eisenbahn. Ab 1838 schaffen die Eisenbahnen aus allen Landesteilen Rennbegeisterte bis zehn Meilen vor Ascot. Zwei Jahre später wird die große Zuschauertribüne errichtet, mit Platz für über 3.000 Besucher.

Auf der Rennbahn sind alle Menschen gleich

Mittlerweite ist das Galopprennen von Ascot, neben der Blumenschau von Chelsea und Wimbledon, eine britische Institution. Dreißig Rennen starten in den fünf Ascot-Tagen, täglich vergnügen sich rund 80.000 Gäste auf dem Gelände, die laut Veranstalter 150.000 Flaschen Champagner trinken, 6.000 Hummer und viereinhalb Tonnen Erdbeeren essen. Für viele Besucher sind die Vierbeiner Nebensache, das gesellschaftliche Ereignis umso wichtiger. Ein Viscount Castlerosse sagte einmal, Pferderennen wären amüsanter ohne Pferde. "Sie lenken von der Konversation ab." Man lächelt, lobt, lästert – über Pferde, Royals und die Garderobe. In der "Royal Enclosure", der königlichen Loge, sind Zylinder und Gehrock für den Herren und elegante Tagesgarderobe mit Hut für die Dame Pflicht. Die extravagantesten Hüte flanieren mit ihren Trägerinnen traditionell am Tag des Goldcup-Rennens über das Gelände, dem sogenannten "Ladies Day". Es ist der Tag mit den höchsten Besucherzahlen. Neben der Königsloge und der "Grandstand"-Tribüne für die Mittelschicht sind auch billige Plätze für fünfzehn Pfund, also 17 Euro, auf dem Rasen zu haben. Picknickkörbe dürfen mitgebracht, aber keine Grills aufgebaut werden; Dresscode gibt es keinen. Ascot bleibt ein königliches Volksfest: Alljährlich vermischen sich Plebs, Upper Class und Royals an der Rennbahn. Ein Sprichwort in Großbritannien lautet eben: "Auf der Rennbahn und unter dem Rasen sind alle Menschen gleich."

Königin Elisabeth schickt eigene Pferde ins Rennen

Am 21. Mai 1945 nahm die 19-jährige Thronfolgerin Prinzessin Elisabeth zum ersten Mal Platz in der "Royal Enclosure". Bis heute fährt die Königin an jedem der fünf Ascot-Tage mit einem sechsspännigen offenen Landauer vom Schloss Windsor vor die Tribüne. Es ist das Ziel mancher Briten, eine der begehrten Einladungen in die königliche Loge und den dazugehörigen Garten zu bekommen: Man muss einen Bürgen finden, der selbst mehrere Mal dort Gast war. Königin Elisabeth jedenfalls misst den Pferden mehr Bedeutung zu als den Hüten; sie besitzt Pferdeverstand und schickt eigene Zuchtpferde mit Jockeys in königlichem Purpur ins Rennen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Mann Prinz Philipp: Wenn er überhaupt nach Ascot fährt, geht er sofort an seinen Platz, macht einen Fernseher an und schaut Cricket.

Stand: 11.08.2011

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