Stichtag

10. Juli 1946 - Gesetz über den Einsatz von Trümmerfrauen

Mit der deutschen Niederlage in Stalingrad 1943 wachsen im "Dritten Reich" die Zweifel am angestrebten "Endsieg". Reichspropagandaminister Joseph Goebbels fordert deshalb in einer Rede im Berliner Sportpalast den "Totalen Krieg". Sämtliche Kräfte sollen mobilisiert werden. Auch die "opferbereite Heimatfront" wird zu Höchstleistungen verpflichtet. Frauen, die zwischen 17 und 45 Jahre alt sind, können nun zur Reichsverteidigung herangezogen werden. Zu tun gibt es für sie genug: Alliierte Luftangriffe verwandeln Deutschlands Städte immer mehr in Ruinenlandschaften.

Um den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken, setzen die Nazis die von ihnen beschworene deutsche Überlebenskraft in Szene: Propagandafotos von 1944 zeigen gut gelaunte Frauen im zerstörten Hamburg, die mit bloßen Händen Trümmer wegräumen und Mörtel von Ziegelsteinen entfernen. Damit entsteht ein Mythos, der nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 weiter lebt - allerdings unter geänderten Vorzeichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisieren Frauen, die Schutt beseitigen, nicht mehr den Durchhalte-, sondern den Aufbauwillen. Sie heißen nun Trümmerfrauen und gelten als Keimzelle des Wiederaufbaus Deutschlands.

"Hilfsarbeiterinnen im Baugewerbe"

In Deutschlands Städten sind mehr als 3,5 Millionen Wohnungen zerstört worden. Insgesamt liegen dort rund 400 Millionen Kubikmeter Schutt herum. Da viele Männer im Krieg getötet wurden oder noch in Kriegsgefangenschaft sind, machen sich die überlebenden Frauen daran, die Trümmer des Krieges wegzuräumen. Ein Teil der Frauen übernimmt diese Aufgabe freiwillig, andere werden durch ein Gesetz des Alliierten Kontrollrates verpflichtet. Er erlässt am 10. Juli 1946 in Berlin eine "Anordnung über den Einsatz von Frauen auf Bauten". Allein in der ehemaligen Reichshauptstadt arbeiten rund 60.000 Trümmerfrauen. Ihre offizielle Bezeichnung lautet "Hilfsarbeiterinnen im Baugewerbe". Sie tragen die zerstörten Gebäude mit wenigen Werkzeugen ab. Selten werden sie dabei von Maschinen unterstützt. Den Schutt laden sie auf Pferdewagen oder in Loren, die sie selber schieben müssen. Die vom Mörtel befreiten Steine werden später wieder verwendet.

Höhere Lebensmittel-Rationen

Entlohnt werden die Trümmerfrauen pro Stunde mit rund 70 Pfennig - auch damals wenig Geld. Dafür erhalten sie die zweithöchste Kategorie der Lebensmittel-Zuteilungen. Nicht berufstätige Hausfrauen erhalten die schlechteste. Einer Trümmerfrau steht fast die doppelte Ration Fett zu: etwa 400 Gramm pro Monat. Zudem hat sie pro Tag Anspruch auf 100 Gramm Fleisch und ein halbes Brot. Damit muss sie nicht nur sich selbst, sondern oft genug auch ihre Kinder durchbringen.

Ende der 1940er Jahre übernehmen allmählich neu gegründete Baufirmen die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der Städte. Am 2. Mai 1952 bekommen 32 Trümmerfrauen - und 17 Männer - stellvertretend für Zehntausende von Bundespräsident Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz am Bande. Die meisten Frauen stehen inzwischen wieder am Herd. Die Männer, die aus der Gefangenschaft zurückkehren, übernehmen wie selbstverständlich ihre alten Posten. Erst 1987 gibt es in Form einer Rentenerhöhung auch eine kleine materielle Anerkennung für Trümmerfrauen.

Stand: 10.07.2011

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