Stichtag

03. Januar 2007 - Vor 80 Jahren: Georg Clemens Perthes stirbt

1902 macht der Chirurg Georg Clemens Perthes eine folgenschwere Entdeckung. Bei Experimenten mit Röntgenstrahlung bemerkt er, dass eine Warze, die sich seit zwei Jahren auf seiner Hand befindet, wie von Geisterhand verschwindet. Dem universal gebildeten Mediziner werden die Konsequenzen dieser "Wirkung der Röntgenstrahlen auf lebendes Gewebe" schlagartig bewusst. Was bei Warzen funktioniert, müsste auch bösartige Krebstumoren zersetzen. Systematisch überprüft Perthes seine Entdeckung im Experiment - und wird so zu einem der Urväter der Strahlentherapie.
Perthes wird 1869 als Spross einer großbürgerlichen Gelehrtenfamilie in Moers geboren. Bereits mit 14 Jahren verliert er seine Eltern durch Tuberkulose. Früh auf sich allein gestellt, promoviert er mit 21 Jahren und lässt sich in Bonn in der aufstrebenden Disziplin der Chirurgie ausbilden. 1895 wechselt er nach Leipzig. Fünf Jahre später wird er "auf allerhöchste Kabinettsorder" als Militärarzt nach China abkommandiert. Hier soll er die kaiserlichen Truppen verarzten, die nach der Ermordung des deutschen Gesandten Klemens Freiherr von Kettler durch Mitglieder des Geheimbunds der "Boxer" ins Reich der Mitte entsandt worden sind. Das Schlachtfeld liefert dem zurückhaltenden Chirurgen reichhaltiges Anschauungsmaterial; als erster untersucht er zudem die verkrüppelten "Lotosfüße" chinesischer Geishas.

Im 1. Weltkrieg operiert Perthes im Notlazarett oft rund um die Uhr, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit und immer mit einem offenen Ohr für die Patienten. Seinen Röntgenmethoden bleibt er auch später als Arzt in Tübingen vorbehaltlos treu - auch wenn es bei der primitiven Strahlentherapie der Frühzeit Rückschläge gibt und ihm immer wieder Zweifel kommen: "Hier hätte Leben gerettet werden können, wenn ich, weniger gründlich verfahrend, mich mit der Diagnose auch ohne röntgenologische Untersuchungen begnügt hätte."
Perthes stirbt am 3. Januar 1927 im Winterurlaub in Arosa an Herzversagen. Trotz seiner Verdienste um die Medizin ist er heute nahezu unbekannt - und das, obwohl eine von ihm entdeckte orthopädische Kinderkrankheit seinen Namen trägt. Der Medizinhistoriker Christian Andree macht hierfür nicht zuletzt politische Gründe geltend. "Schuld daran ist die Politik der zwei Weltkriege, die die deutschen Leistungen herabgestuft haben. Im Ausland wollte man sie nicht mehr hören und sehen".

Stand: 03.01.07