2. Mai 1960, zehn Uhr: Im kalifornischen Staatsgefängnis San Quentin in der Bucht von San Francisco beginnt die Hinrichtung von Caryl Chessman. Der 38-Jährige wird in die Gaskammer geführt und auf einem eisernen Stuhl festgeschnallt. Zyankalikugeln fallen in einen Behälter mit Schwefelsäure. Tödliche Dämpfe steigen auf. Als das Notfalltelefon im Vorraum klingelt, gibt es kein Zurück mehr. Die Nachricht, dass ein Richter die Vollstreckung noch einmal aufschieben will, kommt nicht mehr rechtzeitig an. Offenbar hat eine Sekretärin beim ersten Versuch eine falsche Nummer gewählt. Um 10.08 wird Chessmans Tod festgestellt.
Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen
Zwölf Jahre hat Chessman gegen seine Hinrichtung gekämpft, 42 Berufungen eingelegt, acht Mal einen Aufschub erreicht. Sein Fall sorgt weltweit für Aufsehen und Proteste. Kein anderer Häftling hat bis dahin so lange in der Todeszelle gesessen, keiner hat so sehr die Öffentlichkeit gesucht. Für ihn setzten sich sogar Prominente wie der Schauspieler Marlon Brando ein. Im Gefängnis schreibt Chessman mehrere Bücher. Das erste mit dem Titel "Todeszelle 2455" wird ein Bestseller und verfilmt - noch während er auf die Hinrichtung wartet.
Für die Justiz ist Chessman, der am 27. Mai 1921 in Michigan geboren wurde, ein Dauergast: Wegen Überfällen, Einbrüchen und Geldfälscherei landet er immer wieder im Gefängnis. 1948 fällt eine Jury das Urteil, das ihn in die Todeszelle bringt. Doch Chessman bestreitet die beiden Verbrechen, für die die Todesstrafe verhängt wird: Entführung und Vergewaltigung. Er sei nicht der berüchtigte "Rotlicht-Bandit", der Liebespaare überfallen und Frauen vergewaltigt hat. Auch die entscheidende Aussage eines Augenzeugen bleibt umstritten. Chessmans Schuld wird nie zweifelsfrei bewiesen.
"Legaler Mord"
Der Tod von Chessman löst internationale Reaktionen aus. Die "New York Herald Tribune" schreibt: "Wenige Hinrichtungen haben auf solche Weise die häßliche Sinnlosigkeit der Todesstrafe dramatisiert." Das französische "Komitee Caryl Chessman", dem auch Albert Schweitzer angehört, bezeichnet die Hinrichtung als "legalen Mord". Chessman selbst schrieb in einem hinterlassenen Brief vorab: "Ich glaube, dass das, was mir widerfahren ist, nicht vergebens geschehen ist, und dass es große soziale Bedeutung haben wird."
Stand: 02.05.10