Zwölf Uhr mittags - aus ihrem tiefsten Innern explodiert die Erde. Eine mehr als zehn Kilometer hohe Rauchsäule schießt in die Höhe. "Ihre Gestalt lässt sich am besten mit der einer Pinie vergleichen", stellt Plinius der Jüngere fest. Der 18-Jährige wird im Kriegshafen Misenum, am äußersten Rand des Golfs von Neapel, Augenzeuge einer furchtbaren Naturkatastrophe: Am 24. August des Jahres 79 bricht der Vesuv aus. Meterdicke Felsbrocken, kieselgroße Bimssteine und Asche prasseln auf die römische Stadt Pompeji nieder. Flüssige Lava rast mit bis zu 80 Stundenkilometern talwärts, sprudelt über die Stadtmauer, drückt die Dächer weg und strömt von oben in die Häuser. Giftige Vulkangase breiten sich aus.28 Jahre später schildert Plinius das Drama dem Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus in zwei Briefen: "Wir flohen mit einer verstörten Menschenmenge aus der Stadt, vor unseren Augen diese schaurige, schwarze Wolke, kreuz und quer von Feuer durchzuckt. Es regnete Asche und von hinten verfolgte uns dichter Qualm wie ein Sturzbach. Um uns herum war tiefe Nacht. Man hörte die Frauen weinen, Kinder jammern, die Männer schreien. Wir alle versuchten, uns an der Stimme zu erkennen. Manche flehten aus Angst vor dem Tod um den Tod. Andere schrien, es gebe keine Götter mehr, die letzte, ewige Nacht sei über die Welt hereingebrochen. Wieder und wieder fiel Asche, dicht und schwer. Ich glaubte fest, ich ginge mit allem und alles mit mir zugrunde."
Drei Tage dauert das Inferno. Am Morgen des dritten Tages wird es in Pompeji zum ersten Mal wieder richtig hell - aber es ist totenstill: Die Stadt ist unter rund sechs Metern heißem Schutt begraben. Mindestens 2.000 Menschen sind gestorben. Pompeji wird von den Römern aufgegeben und in der Folge vergessen. Im 17. Jahrhundert kommen Überreste beim Bau von Wasserleitungen wieder zum Vorschein. Kunsträuber verschleppen Statuen, Gemälde und Mosaike. Erst 1860 gibt der italienische König Viktor Emanuel II. systematische Ausgrabungen in Auftrag. Der französische Archäologe Robert Etienne schreibt Anfang des 20. Jahrhunderts: "Ich kenne nichts Rührenderes, Eindruckvolleres als die Stellungen der Toten von Pompeji: Gladiatoren, noch angekettet und vergessen, Mütter schützend über ihren Kindern, fliehende Männer, alle im Todeskampf von heißer Asche umschlossen." Rund zwei Millionen Touristen besuchen jährlich das historische Gelände am Fuße des Vesuvs, der immer noch aktiv ist.
Stand: 24.08.04