Bevor das Sondergericht in Bagdad das Urteil verkünden kann, müssen zwei Gerichtswachen den Angeklagten auf die Beine stellen: Der ehemalige irakische Staatschef Saddam Hussein weigert sich aufzustehen. Wie schon mehrfach während des gut ein Jahr dauernden Prozesses demonstriert er damit, dass er das Gericht nicht akzeptiert. "Lang lebe die arabische Nation!", "Tod ihren Feinden!", "Fahren Sie zur Hölle mit Ihren Gesetzen und Paragrafen", brüllt Saddam dazwischen, als der Richter mit der Verlesung des Urteils beginnt.
An der Strafe ändert sich dadurch nichts: Das Gericht verurteilt Saddam am 5. November 2006 zum Tod durch Erhängen. Er hatte - so das Gericht - die Ermordung von mindestens 148 Schiiten befohlen. Sie sollen in der nördlich von Bagdad gelegenen Ortschaft Dudschail an einem fehlgeschlagenen Attentat auf ihn beteiligt gewesen sein. Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert, dass das Gericht Beweise der Staatsanwaltschaft zurückgehalten und der Verteidigung die Möglichkeit genommen habe, eine Stellungnahme vorzubereiten. Zudem zeige die Ermordung von drei Verteidigern, dass ein fairer Prozess nicht gewährleistet gewesen sei.
Konkurrenz mit der Pistole ausgeschaltet
Saddam - wörtlich: der Standhafte - stammt aus einfachsten Verhältnissen. Am 28. April 1937 unehelich geboren, lernt er seinen Vater nie kennen. Seine Kindheit ist hart, seine Mutter schiebt ihn zu einem Onkel ab. Von ihm lernt Saddam sein Überlebensrezept: eine Mischung aus familiärer Loyalität und Brutalität. Mit 19 Jahren tritt er in die weltlich orientierte Baath-Partei ein. Er beteiligt sich an Putschversuchen, geht ins Exil nach Kairo, kehrt zurück und steigt dank eines Verwandten schnell auf. 1969 amtiert er bereits als Vizepräsident. Innerparteiliche Konkurrenz schaltet er aus, auch eigenhändig mit der Pistole. Zehn Jahre später ist er Präsident, Generalsekretär der Baath-Partei, Chef der Streitkräfte.
Während der folgenden, fast 25-jährigen Herrschaft bringt Saddam, der sich selbst als Führer der Araber stilisiert, das Land an einen Tiefpunkt. Zwar modernisiert er den Irak, die Öleinnahmen machen es möglich, doch gleichzeitig baut er einen brutalen Überwachungsapparat auf, der die 25 Millionen Iraker kontrolliert. 1979 führt Saddam Krieg gegen den Iran. Damals unterstützt ihn der Westen noch: Der irakische Präsident dient als williges Werkzeug gegen die Ayatollahs und deren islamische Revolution. Der Krieg endet nach acht Jahren im Patt.
US-Liebling wird Feindbild
1990 überfällt Irak Kuwait - im Glauben, Washington würde das akzeptieren. Doch nun wenden sich die USA von ihm ab, weil er ihre Öl- und Sicherheitsinteressen bedroht. Mit der "Operation Wüstensturm" vertreibt eine alliierte Streitmacht unter Führung der Amerikaner 1991 Saddam aus Kuwait. "Wir wussten doch von Anfang an", sagt Ex-CIA-Chef Robert Gates, "das war kein Demokrat, ... sondern einfach ein Verbrecher." Saddam gibt nun das ideale Feindbild ab. Harte UN-Sanktionen sollen ihn gefügig machen, lassen seine Rhetorik aber nur noch schriller werden.
Wenige Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verortet US-Präsident George W. Bush den Irak auf der "Achse des Bösen". Saddam werden Kontakte zu Al-Qaida nachgesagt, die er nicht hat. Im Frühjahr 2003 überrollt die US-geführte "Koalition der Willigen" den Irak. Im Dezember darauf entdeckten US-Soldaten den flüchtigen Saddam in einem Erdloch unweit seiner Heimatstadt Tikrit. Doch damit wird kein friedlicheres Kapitel der wechselvollen Geschichte des Landes aufgeschlagen. Es gibt immer wieder islamistische Selbstmord-Anschläge. Auch die Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam am 30. Dezember 2006, beruhigt die Lage nicht. Bis Herbst 2011 sterben in Irak seit der Invasion rund 5.000 US-Soldaten und weit über 100.000 irakische Zivilisten.
Stand: 05.11.2011
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