Auf einem Selbstporträt zeigt sich der homosexuelle Fotograf in Sado-Maso-Lederkluft, im Anus steckt eine Peitsche. "Ich war ein katholischer Junge. Ich ging jeden Sonntag in die Kirche. Eine Kirche ist für Kinder so etwas wie Magie oder wie ein Mysterium. Ich glaube, die Art und Weise, wie ich die Dinge auf Fotos arrangiere, ist sehr katholisch", sagt Robert Mapplethorpe. Dabei führen seine radikalen Darstellungen von Nacktheit, Geschlechtsteilen und sexuellen Handlungen in den USA zu heftigen Protesten. Mapplethorpe: "Ich denke, ich habe so etwas wie ein religiöses Unterbewusstsein. Aber ich war nie ein frommer Mensch." Er lebt für die Liebe und für die Kunst, exzessiv, umstritten, umjubelt. Als einer der ersten Fotografen stellt er nicht in Fotogalerien aus, sondern in Galerien, die für Kunstausstellungen bekannt sind. Als bekannt wird, dass er sich mit dem HI-Virus infiziert hat, schnellen die Preise für seine Fotografien in die Höhe.
Vom schüchternen Jüngling zum altersweisen Patriarchen
Robert Mapplethorpe wird am 4. November 1946 in New York geboren und wächst mit fünf Geschwistern in dem blitzblanken Vorstadthäuschen einer katholischen Arbeiterfamilie auf. Schnell stellt sich heraus: Robert ist der geborene Zeichner. Die Sängerin Patti Smith, Freundin und Weggefährtin der frühen Jahre, schreibt über Mapplethorpe in ihrem Buch "Just Kids": "Er war Künstler, und er wusste es. Es war keine kindliche Einbildung. Er stellte lediglich eine Tatsache fest." 1967 hatten sich beide in New York getroffen und waren zusammen gezogen. An manchen Tagen haben sie so wenig zu essen, dass nur einer satt wird und der andere aus Liebe verzichtet. Sie sind arm, aber beseelt von dem Glauben an sich, an den anderen und die Kunst. Mapplethorpe besucht die Kunstakademie und offenbart bald seine Homosexualität. Werner Lippert, Kunsthistoriker und Ausstellungsmanager des NRW-Forums Düsseldorf, erklärt: "Man sieht an seinen Selbstporträts, wie er sich parallel zur Fotografie entwickelt: vom schüchternen Jüngling zu einem selbstbewusstem Mann bis zum altersweisen Patriarchen der Fotografie, der auf einem Riesenlehnstuhl sitzt und den Totenkopf in der Hand hält."
Fotografien aus der Sado-Maso-Szene schmerzen
1973 zeigt Mapplethorpe seine erste Fotoausstellung, noch Polaroids. Doch er will mehr, will selbst Andy Warhol und Michelangelo übertreffen. Er beginnt die schwule Szene zu fotografieren wie keiner vor ihm. "Er hat Menschen fotografiert wie Skulpturen; man spürt, darunter pulsiert ein Leben", sagt Werner Lippert. Mapplethorpes Bilder berühren und provozieren; seine Fotografien aus der Sado-Maso-Szene schmerzen fast. Für massentauglich hält er sie nicht: Einmal zeigt er in einer Galerie seine Hardcore-Bilder, in einer anderen Galerie die sanfteren Versionen – nur letztere Ausstellung dürfen seine Elten besuchen. Er schafft den Durchbruch, wird Subjekt und Objekt der Kunst, ist der bekannteste Fotograf von New York. Die Menschen stehen Schlange, um sich von ihm fotografieren zu lassen. Als bekannt wird, dass er an Aids erkrankt ist, explodieren die Preise für seine Werke. Robert Mapplethorpe stirbt mit nur 47 Jahren. Sein gesamter Nachlass wird versteigert, das Geld fließt in eine von ihm gegründete Stiftung, die hauptsächlich der Aidsforschung dient.
Stand: 04.11.2011
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