Sie glauben, dass ihre Ahnen Götter waren und sie daher zu Recht über ihr Volk herrschen: Die Merowinger sind die Königsfamilie der Franken, eines der kämpferischsten Germanenvölker. Der Legende nach ist die Frau des fränkischen Königs Chlodio beim Baden im Meer von einem Minotaurus - einem Ungeheuer mit Stierkopf und Männerleib - überfallen und geschwängert worden. Sie gebärt daraufhin ihren Sohn Merowech, den Namensgeber der Königssippe. Seitdem gehören lange Haare, Kriegslust und männliche Zeugungskraft zu den Kennzeichen der Merowinger.
Das Germanenvolk taucht etwa 250 nach Christus an den Grenzen des Römischen Reiches auf. 200 Jahre später herrscht Merowingerkönig Childerich von der Hauptstadt Tournai aus über ein Gebiet, das den Süden der heutigen Niederlande, den Norden Belgiens und das Rheinland umfasst. Childerich stirbt 481 oder im Jahr darauf. Sein Nachfolger wird um 482 sein Sohn Chlodwig I., der zu einem der bedeutendsten Könige des Mittelalters wird. Knapp 30 Jahre später beherrscht er - nach Siegen über Römer, Alemannen und Westgoten - ein gigantisches Reich, das von den Pyrenäen bis zur Nordsee und nach Sachsen reicht. Auch Konkurrenten aus der fränkischen Führungsschicht und selbst Blutsverwandte soll der als brutal und blutrünstig geltende Chlodwig durch Mord ausgeschaltet haben.
Übertritt zum Christentum
Chlodwigs machtpolitischer Erfolg hängt auch zusammen mit seinem Übertritt zum Christentum - und zwar in seiner katholischen Form. "Alle anderen germanischen Völker auf römischem Reichsboden haben sich für eine andere Form, die arianische Form entschieden", sagt Geschichtsprofessor Matthias Becher von der Universität Bonn. Diese Form habe aber den Nachteil gehabt, dass ein konfessioneller Gegensatz zwischen den germanischen Eroberern und der Mehrheit der römischen Bevölkerung entstanden sei. Chlodwig dagegen liegt in dieser Hinsicht mit den Eroberten auf einer Linie, was seine Herrschaft stabilisiert. Seine strategische Entscheidung führt zur christlich-katholischen Ausrichtung des Abendlandes.
Das riesige Frankenreich markiert für Franzosen und Deutsche, so Historiker Becher, gleichermaßen den Ursprung ihrer Geschichte. Denn Chlodwig gilt als Staatsgründer und Namensgeber von Frankreich. Während Deutschland sich aus dem östlichen Teil des Frankenreiches entwickelt hat. Deshalb nennen die Franzosen die Deutschen bis heute Les Allemands: die Alemannen.
Paris wird Hauptstadt
Machtstabilisierend wirkt ebenfalls Chlodwigs Anweisung von 507, die fränkischen Gesetze in der "Lex salica" aufzuschreiben. Bisher wurden sie nur mündlich weitergegeben, rechtliche Sicherheit gab es nicht. Auch die Kirchenordnung schneidet Chlodwig auf sich zu: "Im Konzil von Orleans 511 versammelt er zum ersten Mal fast alle Bischöfe seines Reiches um sich", sagt Becher. Dadurch habe er als wichtigsten Bezugspunkt der fränkischen Landeskirche den König etabliert - und nicht den Papst in Rom.
Wie einst Konstantin der Große will Chlodwig I. eine neue Hauptstadt bestimmen. Er wählt Paris, das in das damalige Straßennetz gut eingebunden ist. Außerdem hat die Heilige Genovefa die Stadt vor der Zerstörung durch die Hunnen bewahrt. Ihr zu Ehren lassen Chlodwig und seine Frau Chrodechilde deshalb in Paris die Apostelkirche bauen und sie dort beisetzen. Nach Chlodwigs Tod am 27. November 511 wird er selbst dort bestattet.
Stand: 27.11.2011
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