Graf Lennart Bernadotte ist entsetzt. Bei der Arbeit an der "Grünen Charta der Mainau", die den ländlichen Raum in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg neu ordnen helfen soll, ist der Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft übers Land gereist und auf miserable Lebensumstände gestoßen.
"Alle Misthaufen zur Durchgangsstraße, es war trostlos und hat gestunken", wird sich Bernadotte später erinnern. "Ich hab gesagt, jetzt müssen wir was machen. Und siehe da, es ist uns gelungen, diesen Wettbewerb ins Leben zu rufen."
Vom Blumenschmuck zum Zukunftskonzept
Der Wettbewerb heißt "Unser Dorf soll schöner werden". Am 21. November 1961 zeichnet Bundespräsident Heinrich Lübke, zuvor Landwirtschaftsminister, die ersten Sieger aus. Aus NRW bekommt Ophoven an der Grenze zu den Niederlanden eine der begehrten Goldmedaillen. Lange Zeit geht es beim Dorfwettstreit vor allem um Sauberkeit und Ordnung, weshalb Kritiker spöttisch vom "Blumenschmuckwettbewerb" sprechen. Aber im Zuge fortschreitender Industrialisierung der Landwirtschaft, neu erlassener Umweltbestimmungen und veränderter ländlicher Strukturen wandelt sich der Anspruch.
Heute geht es bei den Auszeichnungen auf Kreis-, Landes- und Bundesebene vor allem darum, welche ländlichen Orts- und Gemeindeteile bis 3.000 Einwohnern Größe in Eigeninitiative und mit bürgerlichem Engagement ein ganzheitliches Konzept entwickelt haben, mit dem sich das Dorf zukunftsfähig präsentiert. Dem trägt auch die Umbenennung des Wettbewerbs von "Unser Dorf soll schöner werden" in "Unser Dorf hat Zukunft" im Jahr 2007 Rechnung.
"Wohnwert erhalten"
Von Ahaus-Wessum (Silber 1991) bis Züschen (Gold 1983) gehören auch immer wieder Dörfer aus Nordrhein-Westfalen zu den Gewinnern. 2010 belegt die 1.300-Seelen-Gemeinde Waldfeucht im Kreis Heinsberg beim Bundeswettbewerb einen zweiten Platz. Zuvor war das mittelalterliche Runddorf mit seinem ausgebildeten Grüngürtel auf Kreis- und Landesebene jeweils mit Gold ausgezeichnet worden.
Landwirt Heinz Otten ist Vorsitzender des "Aktionskreises Historischer Ortskern" und stolz auf die Auszeichnung. Für ihn sollen die Verschönerungen vor allem dazu dienen, "den Wohnwert in unserem Dorf" – und damit die Infrastruktur – zu erhalten: "In unserem Ort ist alles zu erwerben, was man erwerben möchte. Und da müssen wir drauf achten, dass das so bleibt."
Stand: 21.11.2011
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