Am liebsten wäre Erich Kästner Lehrer geworden. Zumindest hat er das einmal gesagt. In dem Beruf aber seien ihm die Kinder "zu nah" gewesen: "Und da habe ich mich auf Distanz zurückgezogen und Kinderbücher geschrieben".
"Emil und die Detektive" (1929) ist Kästners erstes Kinderbuch, "Pünktchen und Anton" sein zweites. Beide Bücher gehören bis heute zu den Klassikern ihres Genres – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie konkret in der Lebenswirklichkeit ihres Lesepublikums angesiedelt sind.
Trotz Reichtums betteln
Bei "Pünktchen und Anton" hat dies nicht zuletzt damit zu tun, dass Kästner die Anregung seiner Geschichte einer Zeitungsnotiz verdankt: "Kind aus gutem Hause nachts mit Bettlerin auf der Weidenhammer Brücke entdeckt". Kästner nimmt sich eine Schere, schneidet den Artikel aus und legt sie in sein "Kästchen für Merkwürdigkeiten". Später holt er den Abschnitt wieder hervor und schreibt.
"Pünktchen und Anton" erscheint am 26. November 1931. Das Buch erzählt die Geschichte einer Freundschaft zweier völlig unterschiedlicher Kinder aus völlig unterschiedlichen sozialen Milieus: Von Luise ("Pünktchen"), Tochter eines Spazierstockfabrikanten, und von Anton, Sohn einer armen, alleinerziehenden Kriegswitwe. Beide treffen sie im Berlin der 30er Jahre aufeinander, um nachts bettelnd Streichhölzer und Schnürsenkel zu verkaufen: Anton zum Überleben, und "Pünktchen", um ihr Kindermädchen zu unterstützen. Am Ende decken sie gemeinsam ein Verbrechen auf.
Übersetzt in 100 Sprachen
Die 30er Jahre, das ist die Zeit von Hummer und Kaviar, vor allem aber auch die Zeit der Weltwirtschaftskrise mit ökonomischer Not und Massenarbeitslosigkeit. Kästner, der selbst in Mietskasernen aufgewachsen ist, beschreibt das Leben der Armen in der Reichshauptstadt Berlin. Als einer der ersten deutschen Autoren thematsiert er aber auch die seelische Vernachlässigung reicher Kinder. Denn "Pünktchens" Vater hat keine Zeit für seine Tochter – und ihre Mutter, die lieber zu Modenschauen und Bällen geht, nimmt sie sich nicht. Dieser Erwachsenenwelt begegnen die Kinder mit Phantasie, Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit, aber auch mit Vernunft und Werten.
Das Kästner am Ende für "Pünktchen und Anton" ein Happy-End bereit hält, trägt zum Erfolg des Buches sicher bei. Bis heute wurde das Buch in rund 100 Sprachen übersetzt, für Theater und Oper überarbeitet und zwei Mal verfilmt.
Stand: 26.11.2011
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