Stichtag

16. Februar 2004 - Vor 20 Jahren: Urteil gegen den Kölner Bankier Iwan Herstatt
Iwan der Schläfrige

Es sollte ein Schlussstrich werden, aber es wurde keiner: Am 16. Februar 1984 verurteilte das Landgericht Köln den Bankgründer Iwan Herstatt zu viereinhalb Jahren Haft. Zehn Jahre waren inzwischen seit dem spektakulären Zusammenbruch der Bank am 26. Juni 1974 vergangen, dem größten in der Geschichte der Bundesrepublik. Viel vom 1,2 Milliarden großen Schaden hatten die Insolvenzverwalter noch beheben können: Kleinsparer erhielten ihre Einlagen zurück, Großgläubiger kamen immerhin auf Entschädigungen zwischen 65 und 75 Prozent. Der ehemalige Kölner Gesellschaftslöwe Herstatt dagegen gab sich als verarmter, gebrochener und kranker Mann. Ärztliche Gutachten und eine Herzoperation hatten den Prozess immer wieder verzögert.

Ein Schlussstrich wurde aber auch das Urteil nicht: Im Oktober 1985 erreichte Herstatts Anwalt Helge Millinger die Aufhebung des Strafmaßes durch den Bundesgerichtshof. Ein neuer Prozess 1987 stand unter dem Stichwort "Pickwick-Syndrom": Der beleibte Angeklagte drohte ständig einzuschlafen und musste von einem eigens dafür bestellten Arzt überwacht und immer neu geweckt werden. Die krankhafte Schläfrigkeit Herstatts spielte auch eine Rolle bei der Frage, wie viel der Bankchef seinerzeit von den Devisenspekulationen seiner "Goldjungs", den Finanzjongleuren der Bank, überhaupt mitbekommen hatte. Schließlich erhielt Herstatt noch zwei Jahre Haft auf Bewährung. Aber der Sohn einer traditionsreichen Kölner Bankerfamilie gab nicht auf: Er appellierte nochmals vergeblich an den Bundesgerichtshof, später an die Europäische Menschenrechtskommission. Und er erzählte die Geschichte aus seiner Sicht unter dem bezeichnenden Titel "Die Vernichtung" (1992). 1995 starb er im Alter von 82 Jahren.

Stand: 16.02.04