Stichtag

18. Juli 1922: Geburtstag von Georg Kreisler

Nach dem Anschluss Österreichs 1938 flieht der Jude Georg Kreisler mit seiner Familie in die USA. Hier nimmt er die amerikanische Staatsbürgerschaft an und wird als Soldat eingezogen. Später verhört er in einer Spezialeinheit Kriegsgefangene wie Hermann Göring, Ernst Kaltenbrunner oder Julius Streicher – und muss auf oberste Weisung hin die größten Kriegsverbrecher mit seinem Klavierspiel unterhalten.

Der dem Holocaust Entronnene muss im Gefängnis Nationalsozialisten bespaßen: Makabrer als diese biografische Anekdote kann ein Kreisler-Lied gar nicht sein.  

Charlie Chaplins Notenschreiber

Wie makaber die Welt sein kann, lernt Kreisler von Kindesbeinen an. Am 18. Juli 1922 als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts in Wien geboren, wird er schon in der Schulzeit mit dem offenen Antisemitismus seiner Lehrer und Mitschüler konfrontiert. "Schon als ich zur Volksschule ging, haben immer irgendwelche Kinder den Juden aufgelauert auf der Straße, um sie zu verprügeln", wird er sich später erinnern. 

Dieser Einbruch des Grausamen ins vermeintlich Unbeschwerte wird einen Teil seiner Musikstücke ("Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau / Gehn ma Tauben vergiften im Park") später bestimmen.  

In den USA studiert Kreisler zunächst Musik, bevor er beim Militär beginnt, düster-witzige Lieder zu schreiben. Nach dem 2. Weltkrieg soll er bei den Nürnberger Prozessen eingesetzt werden. Aber er geht lieber nach Hollywood, wo er unter anderem Charlie Chaplin dabei hilft, seine Kompositionen für "Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris" (1947) in Noten zu transkribieren.

Danach versucht Kreisler sich in New York erfolglos als Interpret seiner eigenen Songs. Um Titel wie "Please Shoot Your Husband" zu veröffentlichen findet sich allerdings keine mutige Plattenfirma.

"Worte ohne Lieder"

1955 kehrt Kreisler nach Wien zurück und kommt in der "Marietta-Bar" mit österreichischen Kabarettisten wie Helmut Qualtinger oder Gerhard Bronner in Kontakt.  Hier singt er auch seine schwarzhumorigen Lieder: "Taubenvergiften im Park" macht ihn 1958 mit einem Schlag berühmt.  Vom Künstler wegen des Erfolgs beim Massenpublikum eher abgelehnt, enthält das Lied, dessen tierquälerischer Text über einer heiteren Walzermelodie liegt, doch zentrale Elemente für Kreislers Stil.

Enttäuscht von der mangelnden Wirkung des Kabaretts zieht sich der bekennende Anarchist Kreisler immer mehr aus der Szene zurück. In den 80er Jahren verschreibt er sich zunehmend auch "Worten ohne Lieder" – und unterstreicht auch in Erzählungen, Romanen und Theaterstücken, welch großes dichterisches Talent er von Anfang an gewesen ist.

Kreisler stirbt 2011 im Alter von 89 Jahren in Salzburg.

Stand: 18.07.2012

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