Die Männer zeigen sich in weißen Leinenhemden mit einer Kniebundhose aus Hirschleder. Die Frauen tragen Dirndl: ein enges Mieder-Oberteil mit Rock und Schürze. Doch nicht nur zum Oktoberfest führen die Bayern die klassische Gebirgstracht aus, auch fern aller Touristen konservieren sie ihr "Gwand" - in den Trachtenvereinen mit ihrem Leitspruch: "Sitt' und Tracht der Alten wollen wir erhalten". Neben der Trachtenpflege geht es den Vereinen darum "natürliche und geschichtliche Eigenarten des bayerischen Volkes in seinen guten Sitten eines christlichen Menschenbildes, in seinem Brauchtum, in Mundart, Volkslied, Volksmusik, Schuhplattler, Volkstanz und Laienspiel zu fördern, zu pflegen und zu erhalten". So steht es in der Satzung des Bayrischen Trachtenverbands. Der Trachtler Rudolf Erhardt sieht das so: "Beim Trachten- und Schützenfestzug durch München sehen sie zehntausend echte Trachtler, resche Burschen und fesche Madln. Da geht einem wirklich das Herz auf, vor allem wenn man einem Trachtenverein angehört."
Neun Kinderpaare zeigen Trachten
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts verschwinden die Volkstrachten zunächst aus dem Alltag. Bis sich das Adelsgeschlecht Wittelsbach für die Trachtenpflege einsetzt: Zur Hochzeit des Kronprinzen Ludwig, später König Ludwig I. von Bayern, mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen im Jahr 1810 zeigen neun Kinderpaare Trachten der damaligen bayerischen Kreise. Zur Silberhochzeit des Königpaares wird 1835 ein Trachtenumzug veranstaltet, später entsteht daraus das Münchner Oktoberfest. Und Ludwigs Sohn Maximilian, der spätere König Maximilian II., kleidet sich als erster Regent in Tracht.
"Im Verschwinden begriffene kleidsame Volkstracht"
Doch das bayerische Trachtenvolk ist jahrzehntelang geteilt. Der erste Trachtenverein wird 1883 im oberbayrischen Leitzachtal gegründet, mit dem Zweck der "Wiederauffrischung der im Verschwinden begriffenen kleidsamen Volkstracht", so heißt es in der Satzung. Bald gründen sich in Oberbayern weitere Trachtenvereine, die sich zu Dachverbänden zusammenschließen. 1909 entsteht der Landesverband Bayerischer Heimat- und Volkstrachtenvereine, 1925 der zweite Dachverband Vereinigte Trachtenverbände des bayerischen Oberlandes. Erst im September 2002 schließen sich beide zum Großverband Bayerischer Trachtenverband mit heute 180.000 erwachsenen Mitgliedern und 100.000 Kindern und Jugendlichen zusammen.
Keine bayrische Tracht beim Musikantenstadl
Und der Bayrische Trachtenverband hat Macht. 2004 entscheidet der Gauverband I, dass seine Mitglieder nicht mehr in volkstümlichen TV-Sendungen auftreten dürfen. Peter Eicher, heute stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Trachtenverbands, erklärt damals, man wolle nicht länger zusehen wie das bayrische Brauchtum verschaukelt werde. "In Sendungen wie dem 'Musikantenstadl' werden Lederhosen zu T-Shirts getragen, der Landhausstil als Tracht verkauft – nichts passt zusammen. Ein traditionsbewusster Mensch ist entrüstet, wenn er so etwas sieht. Auch das Liedgut wird verschandelt. In diesen Sendungen wird im Winter der Enzian besungen, dabei sind unsere Lieder dem Jahreskreis angepasst", so Eicher im "Spiegel".
Zuschuss für die Tracht gestrichen
Als der Freistaat Bayern zudem ebenfalls 2004 den Zuschuss zum Kauf einer neuen Tracht streicht, droht der Trachtenverband mit einem Boykott des Münchener Oktoberfestumzugs, bei dem rund 9.000 Trachtler und Schützen mitmarschieren. Nach Angaben des Verbandes koste eine Tracht für Vater, Mutter und Kind im Chiemgau rund 6.000 Euro. Bisher hatte der Staat beim Kauf 13 Prozent des Preises dazugegeben, im Jahr 2003 waren das etwa 525.000 Euro. Die Staatsregierung verschont die Vereine nach dem Protest von den geplanten Kürzungen über 400.000 Euro für die Jugendarbeit, doch die Zuschüsse für die Trachtenkleidung bleiben gestrichen. Die Trachtler zeigen sich trotzdem beim Festumzug 2004, denn nur das Tragen hält eine Tracht am Leben.
Stand: 17.09.2012