1976 eröffnet Anita L. Roddick ein grün gestrichenes Geschäft für Naturkosmetik in Brighton. Die Zutaten – Kräuter, Früchte, Samen, Nüsse, Fette – mischt sie zuhause zusammen und verkauft sie in billigen Verpackungen, die die Kundschaft gereinigt wieder mit in den Laden bringt.
Ihr Geschäft nennt Roddick "The Body Shop" – sehr zum Ärger der beiden Bestattungsunternehmen, die es flankieren. Per Anwalt fordern sie Roddick auf, das Wort "Body", das im Englischen auch "Leiche" bedeuten kann, aus dem Namenszug zu entfernen. Kurzerhand ruft Roddick eine Lokalzeitung an und behauptet, sie werde von Leichenbestattern der Mafia bedroht. "Die Presse rannte mir danach die Bude ein", wird sich die Geschäftsfrau später erinnern. "Über 25 Jahre haben wir für Werbung nicht bezahlen müssen. Wir dachten uns einfach Geschichten aus. Das hat Spaß gemacht."
Englands fünftreichste Frau
Geboren wird Roddick 1942 als Tochter italienischer Einwanderer unter dem Namen Anita Perilli im englischen Littlehampton. Nach einem Studium bereist sie die Welt, arbeitet in einem Kibbuz und später als Lehrerin. 1970 heiratet sie Gordon Roddick, mit dem sie zwei Töchter bekommt. Als ihr Mann Mitte der 70er Jahre beschließt, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen und von Argentinien nach New York zu reiten, muss sich Roddick darüber Gedanken machen, wie sie sich und ihre Töchter ernähren kann: Der erste "Body Shop" entsteht.
Danach kann Roddick innerhalb kürzester Zeit weltweit expandieren. Die Idee, Kosmetik und Hygieneartikel zu verkaufen, die ohne Tierversuche und nach ethischen Maßstäben entstanden sind, trifft den Nerv der Zeit. In den 80er Jahren entstehen auch in Deutschland zahlreiche Filialen.
1984 geht "The Body Shop" an die Börse. Das Unternehmen wird auf acht Millionen Pfund taxiert. Kurze Zeit später ist es fast das Vierzigfache wert. Auf der Liste der reichsten Frauen Englands klettert Roddick auf Platz fünf.
Die "Green Queen"
Nach eigener Aussage ist Roddick nicht am Reichtum interessiert. Ihr Geld und ihr gutes Image nutzt sie vor allem auch, um gegen Tierversuche und Kinderarbeit zu protestieren oder für Naturschutz und gerechtere Löhne zu kämpfen. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, kauft Roddick einen Teil ihrer Rohstoffe wie Kakaobutter oder Shea-Nüsse direkt beim Erzeuger, etwa in Afrika. Rund 5.000 Bauernfamilien kann sie so unterstützen. Aktionen wie diese bringen ihr den Beinamen "Green Queen" ein.
Als Greenpeace recherchiert, dass Roddicks Produkte nicht nur natürlich sind und auch keineswegs zum Großteil über fairen Handel zustande kommen, erhält das Image Mitte der 90er Jahre Risse. Freunde der "Body Shop"-Idee sind endgültig irritiert, als Roddick ihr Unternehmen 2006 an den Kosmetik-Riesen L’Oréal verkauft – allerdings mit der Auflage, die "Body Shop"-Kette im Sinne des Ursprungsgedankens weiterzuführen.
Roddick stirbt am 10. September 2007 in Chichester. Begraben wird sie stilecht in einem Sarg aus Recyclingmaterial.
Stand: 10.09.2012
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