Um 1885 herum sitzt der schottische Arzt Arthur Conan Doyle in seiner Praxis in Southsea bei Portsmouth und langweilt sich. Zwei Jahre hat er als Schiffsarzt Reisen nach Afrika und in die Antarktis unternommen, jetzt bleiben die Patienten aus. So frönt Doyle seiner großen Leidenschaft: dem Schreiben.
Die wichtigste Geschichte dieser Frühzeit ist "Eine Studie in Scharlachrot", in der ein Militärarzt namens Dr. John H. Watson von seiner Begegnung mit einem skurrilen Detektiv, Geigenspieler und Drogenkonsumenten namens Sherlock Holmes erzählt, mit ihm eine Wohnung in der Londoner Baker Street 221B bezieht - und beobachten darf, wie Holmes mit messerscharfem Verstand einen Mordfall im Mormonenumfeld löst, bei dem das mit Blut geschriebene deutsche Wort "Rache" und ein Ehering eine zentrale Rolle spielen. Es ist die Geburtsstunde des wohl berühmtesten Detektivs der Literaturgeschichte.
"Billige Prosa" oder große Literatur?
Dabei sieht es zunächst gar nicht nach einer Erfolgsgeschichte aus. Von mehreren Verlagen wird "Eine Studie in Scharlachrot" abgelehnt. Als Doyle mit Ward, Lock & Co dann doch noch einen Verlag findet, bedingt sich dieser aus, die Veröffentlichung um ein Jahr zu verschieben – der Markt sei "zurzeit mit billiger Prosa überschwemmt". Doyle selbst wird mit dem schon damals geringen Betrag von 25 Pfund für alle Rechte abgespeist.
Als die Geschichte dann im November 1887 im Magazin "Beeton's Christmas Annual" erstmals erscheint, ist die Resonanz tatsächlich gering. Die wenigen Rezensenten interessiert offenbar ohnehin nur die Liebesgeschichte hinter dem Mordfall. Das eigentlich neue – die Figur des urbanen Detektivs, der mit neuesten kriminalistischen Methoden und strengstem naturwissenschaftlichen Rationalismus ans Ziel gelangtt – sticht offenbar niemandem als Besonderheit ins Auge.
Erfolg in Serie
Das Blatt wendet sich erst, als 1891 mit "The Strand Magazine" eine monatliche Literaturzeitschrift erscheint, das mit einer Mischung aus Erzählungen und Illustrationen bald schon zum beliebten Lesestoff der Briten avanciert. Ihr verkauft Doyle seine geniale Idee, Sherlock Holmes und Dr. Watson zu Serienhelden in abgeschlossenen Kurzgeschichten – und den Detektiv und seinen Gehilfen damit zu Stars einer Art kriminalistischer Soap Opera – zu machen.
Schon bald brennt das Publikum darauf, mehr über Holmes zu erfahren, dessen äußeres Erscheinungsbild mit Mantel und kariertem Deerstalker-Jägerhut nicht von Doyle, sondern vom Grafiker des "Strand Magazine", Sidney Paget, geschaffen wird. Am Ende kann der Autor für zwölf Kurzgeschichten 1.000 Pfund verlangen.
Tod und Auferstehung
Bereits 1893 hat Doyle keine Lust mehr an seinem Meisterdetektiv und lässt ihn in der Geschichte "Das letzte Problem" mit seinem Todfeind James Moriarty während eines für beide tödlichen Zweikampfs in den 300 Meter hohen Reichenbachfall im Kanton Bern stürzen. Aber so einfach will sich das Publikum seinen Holmes nicht nehmen lassen. Nach Leserprotesten lässt Doyle die Figur wiederauferstehen. Seitdem lebt sie in Büchern, Comics und Filmen weiter. Ihr Autor stirbt, zum "Sir" geadelt, 1930 in Crowborough (Grafschaft Sussex).
Stand: 12.11.2012
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. November 2012 ebenfalls an die erste "Sherlock Holmes"-Geschichte. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.