"Im Jahre 1141 ... kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom Himmel hernieder. Es durchströmte mein Gehirn und durchglühte mir Herz und Brust gleichermaßen … Nun erschloss sich mir plötzlich der Sinn der Schriften." Das zu schreiben ist ungeheuerlich für eine Frau, des 12. Jahrhunderts. Hildegard von Bingen schreibt ihre Visionen nicht nur nieder, sie geht damit selbstbewusst auf Predigtreisen. "Eine Frau im Mittelalter, die von sich behauptet, einen Auftrag von Gott zu haben, ist gefährlich. Wie hat sie es geschafft, dass man ihr glaubt?", fragt sich die Regisseurin Margarethe von Trotta, die einen Film über das Leben der Nonne gedreht hat.
"Ihr seid eine Nacht, die Finsternis ausatmet"
Doch der berühmte Mönch und Prediger Bernhard von Clairvaux unterstützt Hildegard. Außerdem entstammt sie einer wohlhabenden und einflussreichen Familie. Die Zeitgenossen sehen in ihr keine vom Teufel Besessene, sondern eine Seherin, die direkte Botschaften von Gott erhält. Ihr Wort gilt in den höchsten Kreisen des Klerus – und auch ihre Kritik. "Ihr seid eine Nacht, die Finsternis ausatmet. … Ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche, sondern ihr flieht in die Höhle eurer Lust. Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen voraus ziehen und sie aufrufen, gute Werke zu tun", schreibt sie an den Klerus in Köln. Es gelingt ihr sogar, auf dem Rupertsberg bei Bingen ein eigenes Kloster zu gründen.
Hildegard begegnet Gott in der Meditation
Hildegard von Bingen gilt als erste Mystikerin des Mittelalters, als Auserwählte, die schon im Diesseits – nämlich in der Meditation – die Gegenwart Gottes erfahren hat. "Die Gesichte, die ich schaue, empfange ich nicht in traumhaften Zuständen, nicht im Schlafe oder in Geistesgestörtheit. … Sondern wachend, besonnen und mit klarem Geist. Mit den Augen und Ohren des inneren Menschen, an allgemein zugänglichen Orten – so wie Gott es will", schreibt sie in "Scivias" - Wisse die Wege, einem Buch über ihre Glaubenslehre.
Nelken essen gegen Kopfschmerzen
Wann und wo Hildegard von Bingen im März 1098 geboren wird, ist nicht bekannt. Sicher ist nur: Als zehntes Kind soll sie ihr Leben der Kirche widmen und verschwindet mit acht Jahren hinter Klostermauern – wo das Mädchen bestens aufgehoben ist. Sie bildet sich zur Universalgelehrten aus und schreibt etliche Bücher, zum Beispiel "Physica" über die Naturheilkunde, "Causae et Curae" über die Behandlung von Krankheiten und "Symphonia", Gedichte und Gesänge. "Sie hat wissenschaftlich gearbeitet. Sie hat unglaublich viel geforscht, über Heilkräuter, Heilmethoden und sich sogar von arabischen Mediziner Informationen geholt", sagt die Regisseurin Margarethe von Trotta. Hildegard von Bingen ist zudem eine bedeutende Komponistin und Musikerin, die eigene Werke mit ihren Schwestern aufführt. All dies gelingt ihr, obwohl sie gesundheitlich seit frühester Kindheit angeschlagen ist und vermutlich an massiven Migräneattacken leidet. Ihr eigener Rat gegen das Dröhnen im Kopf lautet: Nelken essen.
Stand: 10.03.2013
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.