Stichtag

2. Juni 1973 – Eröffnung des Van Gogh Museums in Amsterdam

Zu Lebzeiten bekommt nur der engste Kreis von Vertrauten die Bilder Vincent van Goghs zu sehen. Nach seinem Tod im Jahr 1890 droht seine Kunst zunächst in Vergessenheit zu geraten. Zwar gibt es schon bald eine Ausstellung in Deutschland. Aber Kritiker sind alles andere als angetan.

"Heute war ich auf der Ausstellung von van Gogh", schreibt etwa der Maler Georg Hendrik Breitner 1892 in einer unterkühlten Analyse. "Es tut mir leid. Aber ich finde es eine Kunst für Eskimos. Ich habe keine Freude daran. Ich finde es roh und frech, ohne das geringste Feingefühl und außerdem alles gestohlen." An ein eigenes Van-Gogh-Museum ist da noch nicht zu denken.

Offen ohne Türen

Es ist der Witwe von Vincents Bruder Theo zu verdanken, dass van Goghs Werk nicht in Vergessenheit gerät. 1914 veröffentlicht sie Auszüge seiner Briefe; auch sorgt sie dafür, dass die Bilder des Malers nicht in alle Winde verstreut werden. Schließlich verkauft Van Goghs Neffe den Nachlass für nur 16 Millionen Gulden an den niederländischen Staat. Auflage ist, ein Museum dafür zu bauen.

Für das Vorhaben kann der renommierte Architekt Gerrit Rietveld gewonnen werden, der den Bau als strengen Kubus mit einem offenen Inneren ohne Türen anlegt. Am 2. Juni 1973 wird das Haus in unmittelbarer Nachbarschaft des Rijksmuseums von Königin Juliana in Amsterdam eröffnet. Heute sind hier 200 Bilder und 500 Aquarelle Vincent van Goghs sowie Gemälde von Zeitgenossen zu sehen. Auch die Skizzenbücher und Briefe des Künstlers sind im Haus archiviert.

Vincents Ohr in der Baugrube

Zu Baubeginn ist das Van Gogh Museum nicht bei allen Amsterdamern beliebt. In der Stadt herrscht große Wohnungsnot; vor allem die noch lebenden Künstler protestieren dagegen. "Warum gibt der Staat so viel Geld einem toten Künstler, wirft es ihm ins Grab hinterher, während wir nicht einmal Atelierräume haben?", fasst der damalige Museumsdirektor Andreas Blüm die Argumente seiner Gegner zusammen. Sie münden in einer Aktion, bei der die Künstler in einer Prozession in Erinnerung an van Goghs Selbstverstümmelung ein großes Ohr aus Pappmaché zur Baugrube tragen und es hineinwerfen.

Auch nach seiner Erweiterung durch eine Ellipse des japanischen Architekten Kisho Kurokawa 1999 hat das Van Gogh Museum mit Kritik zu kämpfen. "Pompös und charakterlos wie ein internationales Hotel" sei der Bau, mäkelt etwa die FAZ. Inzwischen gilt das Van Gogh Museum gemeinhin als eines der bedeutendsten Museen der Welt. In diesem Sinne wird es nach Auskunft seines jetzigen Direktors Axel Rüger im Gegensatz zum Rijksmuseum nicht als "niederländisches Museum wahrgenommen", sondern als "internationales Phänomen". Und tatsächlich pilgern jährlich über eine Million Besucher aus aller Welt hierher.

300 Mitarbeiter beschäftigt das Museum, das am 1. Mai 2013 nach langwierigen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet wurde, zur Zeit; 30 Millionen Euro beträgt sein jährliches Budget. Ein Drittel davon wird durch Steuergelder finanziert, der Rest durch Kartenverkauf, Sponsoring – und einen florierenden Museumsshop. Ein Großteil der Touristen nämlich will Vincents flirrende Sonnenblumen, Nachtcafés und Selbstporträts auf Postern, T-Shirts, Seidenschals oder Kaffeetassen als Souvenir mit nach Hause nehmen.

Stand: 02.06.2013

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Juni 2013 ebenfalls an die Eröffnung des Van Gogh Museums. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.