Stichtag

8. September 2003 - Leni Riefenstahl stirbt in Pöcking

Zwölf Jahre lang gilt sie als Deutschlands größte Regisseurin, eine Meisterin der Bildkomposition, ein Genie des Films: Leni Riefenstahl setzt das "Dritte Reich" in Szene - mit dem ausdrücklichen Segen von Adolf Hitler. Die beiden haben sich auf ihre Initiative hin kennengelernt: Nach einer seiner Reden im Berliner Sportpalast schreibt Leni Riefenstahl ihm im Mai 1932: "Ich muss gestehen, dass Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben. Mein Wunsch wäre, Sie persönlich kennenzulernen ..." Hitler empfängt sie und macht ihr - laut Leni Riefenstahls Memoiren von 1987 - ein Angebot: "Wenn wir einmal an die Macht kommen, dann müssen Sie meine Filme machen."

Geboren wird Leni Riefenstahl am 22. August 1902 in Berlin als Tochter eines Installateurs. Ihr Vater besitzt eine Firma für Heizungs- und Lüftungsanlagen. Parallel zur Kunstakademie, an der sie Mal- und Zeichenkurse belegt, erhält sie eine Tanz- und Ballettausbildung. Bereits als 21-Jährige gibt sie Soloabende als Ausdruckstänzerin an Max Reinhardts Deutschem Theater. Dann verletzt sie sich bei einem Auftritt am Knie, beendet ihre Tanzkarriere und will Schauspielerin werden. Begeistert von Arnold Fancks erstem Bergfilm schickt sie dem Regisseur Fotos von sich und wird engagiert. Sie lernt Skilaufen und Bergsteigen und wird Hauptdarstellerin in Fanck-Filmen wie "Der Heilige Berg" (1926) und "Stürme über dem Mont Blanc" (1930). 1931 gründet Riefenstahl ihre eigene Produktionsfirma. Großen Erfolg hat sie als Hauptdarstellerin und erstmals als Regisseurin mit "Das blaue Licht" (1932). Auch Hitler ist angeblich von diesem Film stark beeindruckt.

"Triumph des Willens"

Im Auftrag der NSDAP dokumentiert Riefenstahl 1933 mit "Sieg des Glaubens" deren fünften Reichsparteitag. Dann folgt mit "Triumph des Willens", ihr Bericht über den Nürnberger Reichsparteitag von 1934, ein weiterer Auftragsfilm der Nazis. Riefenstahl stehen dafür insgesamt mehr als 170 Mitarbeiter zur Verfügung, unter anderem 36 Kameraleute und 17 Wochenschau-Operateure. Für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ist das Ergebnis "die große filmische Vision des Führers, der hier zum ersten Male bildlich in nie gesehener Eindringlichkeit in Erscheinung tritt." Heute gilt das Werk mit seinem vielfältigen Bilder-Rhythmus, speziellen Kameraeinstellungen und ungewöhnlichen Schnitten als einer der bekanntesten und wirkungsvollsten Propagandafilme überhaupt.

1936 folgt ein noch aufwendigeres Großprojekt im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees: ein zweiteiliger Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Es werden rund 400.000 Meter Filmmaterial gedreht, das 18 Monate geschnitten wird. Riefenstahl fängt sportliche Bewegung und Kraft in betont schönen Bildern ein. Im Mittelpunkt stehen athletische, kämpferische Körper. Damit fügt sich der Film in die NS-Ästhetik und Ideologie. Riefenstahl beharrt später darauf, dass sie niemals Propagandafilme gedreht habe, sondern bloß Dokumentarfilme. Ihre Logik: Propagandafilme kämen nur zustande, wenn dem Regisseur Vorschriften gemacht und Anweisungen gegeben würden. Ihr habe man aber jeweils die uneingeschränkte künstlerische Freiheit gelassen.

Stamm der Nuba fotografiert

Riefenstahl ist zwar nicht Mitglied der NSDAP, aber sie hat keine Probleme damit, von einem menschenverachtenden Regime zu profitieren. Für ihren Film "Tiefland" darf sie inhaftierte Sinti und Roma aus Konzentrationslagern als Statisten aussuchen. Sie behauptet später, dass sie alle "Zigeuner", die in dem Film mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen habe und keinem Einzigen etwas geschehen sei. Dagegen erwirkte eine Darstellerin 2002 eine Unterlassungserklärung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Riefenstahl bei der Entnazifizierung als Mitläuferin eingestuft - keine Haftstrafe, kein Berufsverbot. Da sie als Regisseurin umstritten ist, beginnt sie eine Karriere als Fotografin. Ab 1956 reist sie nach Afrika und fotografiert den Stamm der Nuba im Sudan. Als die Bilder der durchtrainierten Körper veröffentlicht werden, wird Riefenstahl vorgeworfen, weiter einem faschistischen Schönheitsideal anzuhängen.

Mit über 70 Jahren macht sie den Tauchschein und filmt unter Wasser. Begleitet wird sie dabei von ihrem 40 Jahre jüngeren Lebensgefährte Horst Kettner, der als Kameramann seit 1968 ihr ständiger Mitarbeiter ist. Noch als 94-Jährige sammelt sie Tauchaufnahmen. Später entsteht daraus ihr letzter Film: "Impressionen unter Wasser". Leni Riefenstahl stirbt am 8. September 2003 im Alter von 101 Jahren in Pöcking am Starnberger See.

Stand: 08.09.2013

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