"Wer diesen ungeheuren Schauplatz durchwandert, stößt allenthalben auf Szenen unaussprechlicher Verzweiflung, auf alle Leiden, die es gibt", schreibt Henry Dunant. Der Schweizer war 1859 während einer Geschäftsreise zufällig auf das Schlachtfeld von Solferino südlich des Gardasees geraten. Die Österreicher hatten eine Niederlage gegen Sardinien-Piemont und dessen Verbündeten Frankreich erlitten. Nach dem Gemetzel bedecken mehr als vierzigtausend Tote und Verwundete das Schlachtfeld. Einen Sanitätsdienst gibt es nicht.
"Wieder andere sind fast wahnsinnig vor Schmerzen"
Die Schwerverwundeten schauen stumpfsinnig ins Leere. Die Frauen des Dorfes kümmern sich um die Verwundeten. Dunant packt mit an – und protokolliert das Grauen. "Andere sind in Folge der schweren Nervenerschütterung von krampfhaftem Zittern befallen, wieder andere mit klaffenden Wunden, die sich schon entzündet haben, sind fast wahnsinnig vor Schmerzen."
Drei Jahre nach der Schlacht veröffentlicht Henry Dunant auf eigene Kosten das Buch "Eine Erinnerung an Solferino". Er hat eine Mission: Er will den Krieg menschlicher machen. Hartnäckig macht er sich daran, Politiker, Militärs und Mediziner aufzurütteln - mit Erfolg. "1863 hat die Schweiz alle Regierungen der damaligen europäischen Staaten zusammen gerufen, um erste Verhandlungen zu beginnen über die Versorgung von verwundeten Soldaten im Feld", sagt Professor Joachim Gardemann, Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, Mediziner und Forscher auf dem Gebiet der humanitären Hilfe an der Fachhochschule Münster.
"Ein Rotes Kreuz ... sieht man gut, auch im Pulverdampf"
Nach dieser Vorbereitungskonferenz am 26. Oktober 1863 unterzeichnen zwölf Staaten ein Jahr später das "Erste Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten auf dem Feld". Darin wird festgelegt, dass Lazarette, Sanitäter und Ambulanzen neutral sind und nicht angegriffen werden dürfen. Die neue Organisation bekommt ein Schutz- und Kennzeichen. "Es war die Idee eines Schweizer Generals, der sagte: Nehmt ein Rotes Kreuz auf weißem Grund, das sieht man gut, auch im Pulverdampf", erklärt Gardemann.
Henry Dunant gilt damit als Begründer der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Auch die Genfer Konvention von 1864 geht wesentlich auf Vorschläge aus seinem Buch zurück. "Am Anfang stand ein einzelner Mann, der sich nicht schämte, an die Kraft des Herzens zu glauben", sagt der deutsche Politiker und Staatsrechtler Carlo Schmid später über die Hilfsorganisation des Roten Kreuzes. Zusammen mit dem französischen Pazifisten Frédéric Passy erhält Dunant 1901 den ersten Friedensnobelpreis.
Stand: 26.10.2013
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