Stichtag

13. Dezember 1938 - Heinz Georg Kramm in Düsseldorf geboren

Katja Ebstein hatte Recht: "Wunder gibt es immer wieder." So wie am 1. August 2013 in der deutschen Kultstätte des Heavy Metal, beim Openair-Konzert in Wacken. Da steht er leibhaftig auf der Bühne, umzüngelt von hochexplosiver Pyrotechnik, im roten Ledergehrock mit silbernen Nieten, zusammen mit den Düsterrockern von Rammstein. Zufrieden beendet der 74-jährige Herr den Soundcheck mit Rammstein-Sänger Till Lindemann: "Klang perfekt, als wären wir Marianne und Michael."

Beim Auftritt wird der Überraschungsstar von 80.000 Metal-Fans bejubelt. Jeder Rocker erkennt ihn sofort. Tiefe Stimme, honiggelbes Haar, markige Gesichtszüge, kantige Sonnenbrille: Das ist Heino, der Altmeister deutschen Liedguts persönlich. Heino in Wacken, unglaublich, aber wahr. Es ist, als würde Iggy Pop bei Florian Silbereisen gastieren.

"Bedenkliches Identifikationsmodell"

Kein anderer Sänger - "Karamba, Karacho, ein Whisky" - repräsentiert den volkstümlichen deutschen Schlager so idealtypisch wie Heino. Der Mann, der die Deutschen jahrzehntelang unerbittlich in Heino-Fans und -Hasser geteilt hat, kommt als Heinz Georg Kramm am 13. Dezember 1938 in Düsseldorf zur Welt. Der Mutter zuliebe lernt er Bäcker und Konditor, nebenher macht er Musik. 1965 wird der Junge mit der unverwechselbaren Bariton-Stimme von Sänger und Produzent Ralf Bendix ("Kriminal-Tango") entdeckt und als Nachfolge-Modell von Freddy Quinn aufgebaut.

Gleich mit der ersten Platte "Jenseits des Tales", einem Lied der bündischen Jugend, findet Heino ein großes und treues Publikum. Inbrünstig schmettert er "Blau blüht der Enzian", "Die schwarze Barbara" oder das Deutschlandlied ab der ersten Strophe, wird Dauergast in der "ZDF Hitparade". Seine Kritiker reiben sich am "deutschtümeligen Liedgut" des blonden Barden. Heinos "blank geputztes, völkisches Image", warnt der "Spiegel" 1973, sei ein "bedenkliches Identifikationsmodell für seine Fans". Die lassen sich nicht beirren und machen die selbsternannte "Stimme der Heimat" zum Plattenmillionär.

"Die geilste Sau der Welt"

Aller Häme zum Trotz lässt der nach eigenem Bekunden unpolitische Sänger weiter "die bunten Fahnen wehen" - auch auf Wahlpartys von CDU und SPD. Mitte der Achtziger tritt Heino sogar in Südafrika auf, was viele Künstler wegen des dortigen Apartheid-Regimes ablehnen. In der Heimat dagegen geht es mit seinen Plattenumsätzen rapide bergab, die Neue Deutsche Welle lässt ihn nun sehr alt aussehen. Der Punkrocker Norbert Hähnel macht ihn als "einzig echter und wahrer Heino" zur Witzfigur. Doch mit "Schwarzbraun ist die Haselnuss" als Dancefloor-Version und einem Duett mit Punk-Queen Nina Hagen katapultiert sich Heino zurück in die Gunst eines verjüngten Publikums.

2012, inzwischen 73, erfindet sich die Schlager-Ikone noch einmal ganz neu. Blond wie eh und je, nun aber in Lederkluft und mit Totenkopfring, überrascht der Spezialist für Berg- und Wanderlieder mit Aufnahmen der Hits von Rammstein, Die Ärzte oder Die Fantastischen Vier. Das clever kalkulierte Imagelifting schlägt bei Fans und Medien wie eine Bombe ein. Zum ersten Mal in seiner über 40-jährigen Karriere belegt Heino Platz eins der Albumcharts. "Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus", schreibt die "Süddeutsche Zeitung", "Heino ist jetzt ein cooler Hund". Seine späte Erhebung in den Kult-Adel quittiert der alte Show-Profi mit breitem Grinsen : "Wenn 1.800 Leute singen: Heino ist die geilste Sau der Welt, dann freut man sich doch."

Stand: 13.12.2013

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