Stichtag

7. Januar 1904 - Einführung des Seenotrufs CQD

Das Unglück ereignet sich, kurz nachdem die "Republic" mit über 700 Menschen an Bord den Hafen von New York verlassen hat. Bei dichtem Nebel wird der britische Passagierdampfer von einem Auswandererschiff aus Italien gerammt und droht zu sinken. Trotz der schweren Havarie im Januar 1909 vor der US-Küste überleben fast alle "Republic"-Passagiere die Katastrophe. Das verdanken sie dem selbstlosen Einsatz von Bordfunker Jack Binns.

Unter Lebensgefahr repariert Binns die von eindringendem Wasser lahmgelegte Funkanlage und tippt auf seine Morsetaste: lang-kurz-lang-kurz - lang-lang-kurz-lang - lang-kurz-kurz, die Zeichenfolge für das Kürzel CQD. Binns Mut wird belohnt: Vier Schiffe fangen sein Signal auf, eilen der vom Untergang bedrohten "Republic" zur Hilfe und übernehmen deren Passagiere. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Seefahrt, dass Menschenleben durch den Notruf CQD gerettet werden können.

Harte Konkurrenz um Hoheit im Äther

Das Morse-Kürzel CQ für "An alle Stationen" gibt es seit Beginn des Seefunks, eingeführt durch den Italiener Guglielmo Marconi. 1901 war es dem Erfinder der drahtlosen Telegraphie gelungen, eine Funkbrücke über den Atlantik zu schlagen. Viele Schiffe werden darauf von Marconis Firma mit Funkstationen ausgerüstet und können nun Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen. Bald aber erkennt Marconi, dass für Schiffe, die schnelle Hilfe benötigen, ein besonderes Zeichen nötig ist. Deshalb gibt er im Januar 1904 seinen Funkern die Order, im Notfall dem Kürzel CQ ein D für "Distress" (Gefahr) anzuhängen.

Marconi ist aber nicht der einzige Anbieter der neuen Kommunikationstechnik. Die deutsche Firma Telefunken liefert dem in Großbritannien ansässigen Unternehmen des Funkpioniers einen harten Konkurrenzkampf um die Hoheit im Äther. Für die kaiserliche Kriegsmarine hat Telefunken ein eigenes Notsignal entwickelt: SOS, in Morsezeichen dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Gegenüber Marconis schwer zu identifizierendem CQD ist der Telefunken-Notruf viel eingängiger und wirkt im Wirrwarr verschiedenster Funksignale für Empfänger so auffällig wie ein Sirenenton. Die Deutung von SOS als "Save our souls" (Rettet unsere Seelen) kommt erst später auf.

"Titanic"-Funker kennt kein SOS

Mehrere Jahre streiten Marconi und Telefunken um die Durchsetzung ihrer rivalisierenden Notrufe. Schließlich schafft eine internationale Funkkonferenz 1906 Klarheit. In Berlin einigen sich 27 Staaten auf das verständlichere Seenotzeichen SOS. Allerdings vergehen noch Jahre, bis sich der Beschluss in der Praxis durchsetzt. Noch beherrschen Marconis Geräte den Markt und die Funker sind, wie Jack Binns 1909 auf der "Republic", Angestellte seines Unternehmens. Welche Gefahr das Nebeneinander der beiden Notrufe birgt, erweist sich 1912 nach der Kollision der "Titanic" mit einem Eisberg.

Der Erste Funker des Luxusliners kennt das SOS-Signal noch gar nicht; ein Kollege muss ihn darauf aufmerksam machen. Zudem sollen einige in der Nähe fahrende Schiffe den Notruf nicht gehört haben, weil ihre Funkstation nicht besetzt waren. Vor allem auf Frachtern versehen aus Kostengründen noch die Kapitäne den Funkdienst. Erst nach der "Titanic"-Katastrophe wird durch internationales Seerecht ein hauptamtlicher Funker an Bord zur Vorschrift. Seither gilt auch in jeder Stunde zweimal eine sogenannte Seenotpause: Von der 15. bis zur 18. und von der 45. bis zur 48. Minute hat der normale Funkverkehr auf See zu schweigen, damit kein SOS-Signal mehr überhört werden kann.

Stand: 07.01.2014

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