Auguste Deter, 51 Jahre alt, wird im November 1901 als Patientin in die Frankfurter "Anstalt für Irre und Epileptische" eingeliefert. Der 37-jährige Nervenarzt Alois Alzheimer wird auf die geisteskranke Frau aufmerksam. Wort für Wort prüft Alzheimer Augustes sprachliche und geistige Fähigkeiten und legt eine Akte an, die Akte Auguste D. – und beschreibt damit als erster eine Demenzerkrankung. Fragt er Auguste Deter, wann sie geboren wurde, sagt sie: "Dieses Jahr, nein, vergangenes Jahr." Fragt er sie, wo sie wohnt, sagt sie: "Ach, Sie waren doch schon bei uns." Als Alzheimer sie bittet, eine Acht zu schreiben, schreibt sie "Auguste" und wiederholt immer wieder: "Ich habe mich sozusagen verloren." Die Patientin hat keine Orientierung in Raum und Zeit und kann sich kaum an ihre Vergangenheit erinnern. Alzheimer nennt das Krankheitsbild die "Krankheit des Vergessens".
Sorgenfreies Forscherleben an der Seite einer reichen Witwe
Alois Alzheimer, geboren am 14. Juni 1864 in Unterfranken als Sohn eines Notars, studiert Medizin in Berlin, Tübingen und Würzburg. Er heiratet eine reiche Witwe, mit der er drei Kinder hat, und an deren Seite er sorgenfrei forschen kann: erst als Assistenzarzt in Frankfurt, dann als unbezahlter Privatdozent in München und später als ordentlicher Professor für Psychiatrie in Breslau.
Die nach ihm benannte Diagnose Morbus Alzheimer ist heute die bekannteste der rund 50 verschiedenen Demenzformen. Zwei Drittel der rund anderthalb Millionen Demenzkranken in Deutschland haben Alzheimer und sind älter als 65 Jahre. "Wenn Menschen Orte nicht mehr finden, die sie eigentlich kennen - sich zum Beispiel ab und zu mit dem Auto verfahren - können das erste Zeichen von einer Demenz sein", erkIärt Professor Frank Jessen vom Universitäts-Klinikum Bonn.
Heilbar ist eine Alzheimer-Demenz bis heute nicht
Bis heute arbeiten sich Wissenschaftler an der Krankheit ab. Es gibt verschiedene Theorien, warum der Geist zugrunde geht. Eiweißablagerungen im Gehirn kappen als Plaques den Kontakt zwischen den Nervenzellen, lautet eine. Eine weitere hat fehlgeleitete Tau-Proteine in den Nervenzellen im Verdacht. Auch Aluminium könnte eine Alzheimer-Erkrankung fördern. "Wir wissen nicht genau, wie die Ablagerungen, also die sogenannte Plaque-Bildung, und das Absterben der Nervenzellen zusammenhängen. Auch Entzündungsprozesse könnten eine weitere Rolle spielen", sagt Dr. Oliver Peters, Experte für die Psychiatrie des Alterns an der Berliner Charité.
Experten gehen davon aus, dass die Alzheimer-Krankheit schon bis zu 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome beginnt. Doch Alzheimer-Forscher Konrad Beyreuther vom Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg sieht Früherkennungstests mit Skepsis. "Ich würde abraten. Mit der Gewissheit, dass dieser Prozess abläuft, werden die meisten Menschen nicht fertig", sagt er. Solange es keine wirksamen Therapien gebe, sei er gegen verfrühte Diagnosen. Heilbar ist eine Alzheimer-Demenz bis heute nicht. Medikamente können die Symptome nur lindern und den Verlauf abschwächen.
Auguste Deter verbringt fünf Jahre in der Frankfurter Irrenanstalt, 1906 stirbt sie. Alois Alzheimer seziert ihr Gehirn und entdeckt hirsekorngroße Ablagerungen in den oberen Schichten der Hirnrinde, nach heutigem Wissensstand Eiweiß. Noch im selben Jahr veröffentlicht er seinen Befund – nicht ahnend, dass sein Name zum Synonym für eine der traurigsten Krankheiten unserer Zeit werden würde. Alois Alzheimer stirbt mit nur 51 Jahren am 19. Dezember 1915 in Breslau an Nierenversagen.
Stand: 14.06.2014
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