1995 ist ein wichtiges Jahr für das junge Internet - vor allem in Deutschland: Die Telekom wird privatisiert und bietet ein eigenes Portal an, der Internet-Buchhändler "amazon" geht an den Start, AOL baut ein deutsches Netz auf, Otto und Quelle bieten erstmals einen online-Katalog. Auch der WDR startet seine Website. Weltweit entbrennt der Konkurrenzkampf zwischen Microsoft und Netscape um den erfolgreichsten Browser. Und zwischen all dem fast unbemerkt wird in Amerika definiert, was das Internet ist.
Am 24. Oktober 1995 veröffentlicht das Federal Networking Councel, ein wissenschaftlicher Beraterstab der US-Regierung, seine Definition des Internet. Es kennzeichnet das Netz mit drei Faktoren: 1. Das Internet basiert als "weltweit einheitlicher Adressraum auf dem Internet Protocol (IP)", 2. die Datenübertragung in diesem Netz verwendet das "Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP)" und 3. es stellt Informationen "für öffentliche und private Zwecke" zur Verfügung.
Mit dieser Definition wird für das Internet ein bestimmter Übertragungsmodus festgeschrieben, eben das "Internet Protocol". Die einheitliche Übertragung ermöglicht die Lesbarkeit bzw. Sichtbarkeit der Daten auf jedem angeschlossenen Rechner. Das gilt bis heute, bei ca. 700 Millionen Netz-Usern weltweit. Brisanter ist die Formulierung des "weltweit einheitlichen Adressraums". Dahinter steht nämlich der US-amerikanische Anspruch auf die oberste Verwaltung der Internet-Adressen, der Domains. Sie erfolgt über die "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" (ICANN), einer Non-Profit-Organisation mit Sitz im kalifornischen Marina del Rey, die vom amerikanischen Handelsministerium finanziert wird und ihm untersteht.
Eine Zensur der Adressen übt die ICANN nicht aus. Sie arbeitet mit den nationalen Organisationen für die Adressanmeldung - in Deutschland der De-Nic - zusammen. Vielen Entwicklungs- und Schwellenländern ist die amerikanische Dominanz in der Netzverwaltung ein Dorn im Auge. Die UNO versuchte mehrfach, die Adress-Verwaltung auf den internationalen Telekommunikationsverband ITU zu übertragen - scheiterte aber am Veto der USA. Die meisten Internet-Experten befürchten bei einer Änderung des bisherigen Systems mehr Bürokratie und Kontrolle. Die Freiheit des Netzes zu erhalten und zugleich seinen Missbrauch für organisierte Kriminalität, Pornografie oder rechtsradikale "Volksverhetzung" zu verhindern, ist auch in Deutschland ein ungelöstes Problem. Denn das Netz lässt sich vielleicht definieren - beherrschen jedoch nicht.
Stand: 24.10.05