Nebenwirkungen nach einem Jahr
Autohändler und Kfz-Betriebe in der Krise
Stand: 26.01.2010, 12:36 Uhr
Ein Jahr nach Beginn der Abwrackprämie zeigen sich die Nebenwirkungen: Kfz-Händler und Werkstätten leiden unter Umsatzeinbrüchen, bei den Autoverwertern türmt sich wertloser Schrott. Experten sehen bis zu 90.000 Arbeitsplätze in Gefahr.
Von Petra Blum
Arnd Himmeroeder zeigt auf eine Grafik auf seinem Bildschirm: Eine schwarze Linie veranschaulicht Verkaufszahlen für das Abwrackjahr 2009. Mit Beginn der Prämie vor genau einem Jahr zeigt sie steil nach oben, doch ab Herbst - nachdem die Prämie aufgebraucht war - sackt sie jäh nach unten ab. "Wir hatten einen Einbruch erwartet, aber keinen so dramatischen", sagt der Autohändler aus Sankt Augustin. 800 bis 1.000 Neuwagen verkauft er normalerweise im Jahr, darunter fast alle Marken außer den Premiumherstellern wie Daimler oder BMW. Nachdem die Abwrackprämie beschlossen worden war, stürmten die Kunden den Verkaufsraum, Himmeroeder und seine Mitarbeiter hatten alle Hände voll zu tun. "Das war gigantisch, so etwas werden wir nie wieder erleben", sagt er.
Dann kam der Einbruch. Wie die meisten seiner Kollegen hat auch Himmeroeder aus der Boomzeit etwas zurückgelegt, wovon er nach Ende der Prämie zehren konnte. "Der Januar ist generell auch noch ein schwacher Monat, aber die nächsten Wochen werden wieder besser", hofft er.
Bis zu 90.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Wie Arnd Himmeroeder geht es auch seinen Branchenkollegen - nach dem Ende der Prämie haben sie einen jähen Absatzeinbruch hinter sich. Die Beratungsgesellschaft Roland Berger sieht die Autohändler bedroht. Für sie bewege sich das Insolvenzrisiko auf 30 bis 40 Prozent zu, sagt Sprecher Sebastian Deck. "Natürlich passiert das nicht sofort, aber wir erwarten deutliche Auswirkungen schon in 2010", erklärt er. Insgesamt sieht die Beratungsgesellschaft bundesweit bis zu 90.000 Arbeitsplätze nach dem Ende der Prämie in Gefahr. 60.000 davon könnten laut Berger-Prognose bei Herstellern und Zulieferern wegfallen, 30.000 bei den Händlern.
"Abwrackprämie ging nach hinten los"
Allein in NRW wurden 2009 mehr als 400.000 Altautos abgewrackt, bundesweit waren es rund zwei Millionen. Das macht sich dieses Jahr nicht nur in sinkenden Absatzzahlen bemerkbar. "Das mit der Prämie ist nach hinten los gegangen", schimpft Heinz-Peter True, seit 20 Jahren Kfz-Meister und Sachverständiger. Sein auf Unfallinstandsetzung spezialisierter Zehn-Mann-Betrieb in Sankt Augustin beseitigt hauptsächlich Karrosserie- und Lackschäden. Obwohl derartige Schäden an mehr als neun Jahre alten Autos eher selten ausgebessert werden, ist das Geschäft ein Jahr nach dem Sonderboom auch bei ihm so ruhig wie noch nie. "Durch die Prämie wurden Autos abgewrackt, die nicht in den Schredder hätten gehen müssen. Beispielsweise ein Polo mit nur 80.000 Kilometern auf dem Tacho. Das hätte ein begehrtes Einsteigerauto sein können", sagt True.
Es gibt ein Überangebot an Ersatzteilen
Wie sehr die Altautos in den Werkstätten fehlen, zeigt sich auch an den Schwierigkeiten von Auto Teile Unger (ATU), einer der größten freien Werkstattketten mit rund 200 Filialen und etwa 3.000 Mitarbeitern allein in NRW. Das Unternehmen kämpft schon seit Jahren mit sinkenden Umsätzen, 2008 entging es sogar nur knapp einer Pleite. Die Abwrackprämie, die Altautos in großen Mengen von den Straßen fegte, bedeutet einen erneuten Schlag für die Werkstattkette. "Wir haben das Jahr 2009 mit einem Umsatzminus abgeschlossen", bestätigt ein Sprecher von ATU.
Preise für Autoteile im Keller
Doch selbst diejenigen, die sich über den tonnenweise Autoschrott hätten freuen müssen, sehen die Abwrackprämie durchwachsen. "Wir haben die Autos nur noch trockengelegt und dann in den Schredder geschickt, die Einzelteile auszubauen war gar nicht mehr sinnvoll", sagt Joachim Beier aus Neuss. Rund 9.000 Altautos wurden bei seinem Verwertungsbetrieb zum Abwracken abgegeben, zeitweise musste er sogar einen zusätzlichen Parkplatz anmieten.
Autoverwerter wie er verdienen eigentlich am Ausschlachten der Autos und am Weiterverkauf der Einzelteile. "Aber die Preise für Teile aus den Altautos sind durch das Überangebot total in den Keller gerutscht", erklärt Beier.
Tonnenweise wertloser Schrott
Gleichzeitig brach noch eine zweite Einnahmequelle für die Verwertungsbetriebe weg: Durch die Weltwirtschaftskrise knickte der Stahlpreis ein. Gerade als die Autoverwerter tonnenweise Schrott zu verkaufen hatten, war der auf einem Tiefpunkt. "Während des Rohstoffbooms 2008 lag eine Tonne Schrott in der Spitze bei deutlich mehr als 100 Euro", sagt Beier. "Aber davon hat man 2009 nur noch einen Bruchteil bekommen." Ausgerechnet während der größten Abwrackorgie der Geschichte war der buchstäbliche Schrottwert eines Autos keiner mehr. Die Recyclingbetriebe saßen auf gigantischen Autofriedhöfen, hatten aber kaum etwas davon.
Im Gegensatz zu den Autohändlern und Kfz-Werkstätten ist wenigstens für die Autoverwerter schon ein Ende des Ausnahmezustandes in Sicht: In etwa einem Jahr, so meint Beier, könnte das Überangebot an Ersatzteilen schon abverkauft sein. "Dann werden sich auch die Preise für Autoteile wieder normalisieren", sagt er.