Es hätte weitaus schlimmer kommen können: Die Ermittler sind sich einig, dass die Nagelbombe von Köln viele Todesopfer hätte fordern können. Dies teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstagmittag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Die Vielzahl der Nägel spreche dafür, dass der Täter gewusst habe, dass es Tote hätte geben können, sagte Polizeidirektor Dieter Klinger am Donnerstag (10.06.2004). Die 17- bis 68-jährigen Opfer hätten glücklich gestanden und wahrscheinlich sei nur deshalb niemand zu Tode gekommen. Auch Bundesinnenminister Otto Schily teilte am Donnerstag mit, dass seiner Einschätzung nach die Täter davon ausgegangen seien, dass es viele Todesopfer hätte geben können. Er gehe nicht von einem terroristischen Hintergrund aus.
Zu den Hintergründen der Tat konnten die Ermittler allerdings auch einen Tag danach noch keine genauen Angaben machen. Bis auf ein deutsches Opfer waren alle Verletzten türkischer Herkunft. Es lägen keine Erkenntnisse auf ein terroristisches oder fremdenfeindliches Motiv vor, hieß es weiter. Doch ausschließen wollten Staatsanwaltschaft und Polizei beides nicht. "Wir wissen es einfach nicht, ob ein solcher Hintergrund gegeben ist oder nicht", sagte Oberstaatsanwalt Rainer Wolf bei einer Pressekonferenz, zu der dutzende Medienvertreter gekommen waren. Ebenfalls Fehlanzeige: Hinweise auf den oder die Täter.
Handelsübliche Nägel
Zu der Art des verwendeten Sprengstoffes gab es keine neuen Erkenntnisse. Dieser werde ebenso wie der Zündmechanismus im Rahmen der Spurenauswertung noch untersucht. Parallelen zu anderen Bombenanschlägen könnten erst hergestellt werden, wenn der Sprengkörper rekonstruiert sei, hieß es. Bei den Nägeln, die durch die Bombe bis zu 100 Meter weit geschleudert wurden, habe es sich um einen handelsüblichen Typ gehandelt. Den Schaden, der durch die Explosion entstanden ist, bezifferte die Polizei am Donnerstag auf mehrere 100.000 Euro. Schadensbilanz des Anschlages: 15 beschädigte Autos, 30 zerstörte Fensterscheiben und Schäden an insgesamt 16 Häusern. Die Ermittler setzten die Befragungen der Opfer, die sie bereits am Mittwoch begonnen hatten, fort. Zwei Opfer waren noch nicht vernehmungsfähig. 16 Verletzte, von denen lediglich einer in der Keupstraße wohnt, konnten das Krankenhaus inzwischen verlassen.
Gelegentliche Rivalitäten in der Keupstraße
Polizei und Staatsanwaltschaft betonten, dass die Kölner Polizei die Ermittlungen leite, die wegen "mehrfachen Mordversuchs und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" aufgenommen wurden. Dabei werde sie vom Landeskriminalamt Düsseldorf unterstützt. Es hatte Spekulationen gegeben, dass die Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen einbezogen worden sei, die sich jedoch als falsch erwiesen. Es gebe "keinen Anlass, das Verfahren nach Karlsruhe zu geben", hieß es am Donnerstag bei der Pressekonferenz. Mit neuen Ermittlungsergebnissen wird erst in einigen Tagen gerechnet.
Derweil ging in der Keupstraße die Spurensicherung zu Ende und die noch immer geschockten Anwohner räumen den Schutt von der Straße. Gewöhnlich, so sind sich die Anwohner an der Unglücksstelle einig, verläuft das multikulturelle Zusammenleben dort problemlos. Jedoch ermittelt die Polizei dort Berichten zufolge auch des öfteren wegen illegalen Geschäften, Drogenhandel oder Rivalitäten zwischen verschiedenen Ausländergruppen.