Anschläge auf Asylunterkünfte

Über 120 Straftaten gegen NRW-Flüchtlingsheime

Stand: 22.10.2015, 15:52 Uhr

  • 2015 landesweit bereits 121 Delikte gegen Flüchtlingsheime
  • 14 Gewalttaten und sechs Brandanschläge allein in NRW
  • Innenministerium warnt vor Neonazi-Hetze im Internet

121 Anschläge auf Flüchtlingsheime in Nordrhein-Westfalen hat die Polizei bis zum 1. Oktober 2015 bereits gezählt. Bei 115 Delikten gehe man von einem rechtsextremen Hintergrund aus, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) am Donnerstag (22.10.2015) auf WDR-Anfrage. Überwiegend handelt es sich um Sachbeschädigungen, Propagandastraftaten und Volksverhetzungen. Es wurden aber auch 14 Gewaltdelikte registriert sowie sechs Brandanschläge. Wie viele Fälle aufgeklärt sind, ist unbekannt. Oftmals laufen die Ermittlungen noch. "Vergleichszahlen zu 2014 liegen nicht vor, da solche Delikte vor allem in diesem Jahr in den Fokus rückten", so der LKA-Sprecher.

Warnung des BKA

Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor weiteren schweren Gewalttaten fremdenfeindlicher Extremisten gegen Flüchtlinge, deren Helfer und auch Politiker. Das ergebe sich aus einer vertraulichen Lagebewertung, die wenige Tage vor dem Anschlag auf die inzwischen gewählte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker entstanden sei, berichteten die "Süddeutsche Zeitung" sowie der NDR und der WDR. Ein Sprecher von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte am Donnerstag, bisher lägen noch keine Erkenntnisse über Bedrohungen gegen einzelne Politiker vor.

In Nordrhein-Westfalen beobachten die Sicherheitsbehörden eine gezielte Stimmungsmache von Neonazis gegen Asylunterkünfte. Gerade im Internet nehme die "Hetze" gegen Flüchtlinge immer mehr zu, sagte Innenministeriumssprecher Jörg Rademacher. Es gebe Hinweise darauf, dass Personen aus dem organisierte Rechtsextremismus die Hass-Propaganda verbreiten. Offenbar solle zur Gewalt gegen Flüchtlinge aufgestachelt werden. Mit den 121 Delikten verzeichnet NRW unter den Bundesländern die meisten Delikte gegen Flüchtlingsheime. Bundesweit zählte das BKA bis Anfang Oktober etwa 500 Straftaten. Zur Einordnung der Zahlen: NRW nahm bislang rund ein Viertel der bundesweit etwa 800.000 Flüchtlinge auf.

BKA-Täterprofil

Die Täter bei den Delikten gegen Asylheime sind der BKA-Analyse zufolge zumeist zwischen 20 und 25 Jahren alt und stünden nur selten unter Alkoholeinfluss. 42 Prozent handelten allein, in 49 Prozent der Fälle sei es eine Gruppe von zwei bis fünf Tätern. Mehr als die Hälfte von ihnen ist polizeilich bekannt, ein Drittel der Tatverdächtigen fiel bereits dem Staatsschutz auf: Etwa wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen oder Volksverhetzung. Für die Fälle in NRW konnten Innenministerium und LKA keine vergleichbare Täteranalyse nennen. Offenbar wissen die Behörden angesichts der vielfach noch laufenden Ermittlungen noch nicht, wie wem sie es zu tun haben. Allein die Klärung, ob es sich um rechtsextrem motivierte Delikte handelt, dauert oftmals sehr lang.

Piraten: Gefahrenanalyse überfällig

Die Piraten im Landtag halten die Gefahrenanalysen von BKA und LKA für "längst überfällig". Die Gefahr aus der rechten Ecke sei "lange absehbar" gewesen, sagte die Piraten-Abgeordnete Simone Brand. "Dazu kommt, dass die Angreifer sich durch Hassposts in den sozialen Medien und durch das verbale Zündeln auch von Politikern mehr und mehr bestätigt fühlen", sagte die Landtagsabgeordnete. Die verabscheuungswürdigen Taten werden aus ihrer Sicht von einer gefühlten ´Mehrheit´ akzeptiert. Die Aufklärung rechter Straftaten müsse verbessert werden.