Interview mit Autoexperten
"Wer soll noch Autos kaufen?"
Stand: 10.10.2008, 15:14 Uhr
Die Finanzkrise lässt den Absatz in der Autoindustrie rasant einbrechen. In NRW drohen dem Opel-Werk Bochum und dem Ford-Motorenwerk schwere Zeiten, sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer von der FH Gelsenkirchen im Interview.
WDR.de: Die Autobauer kürzen fast flächendeckend die Produktion. Ist wirklich die Finanzkrise der Auslöser?
Ferdinand Dudenhöffer: Nein, aber sie verstärkt die Schwierigkeiten der Automobilindustrie in einem Maße, wie es niemand erwartet hätte. Die bisherigen Meldungen über Produktionskürzungen spiegeln ja nur die Verkaufszahlen von gestern wider. Das größte Risiko sind die Verkaufszahlen von morgen. Und hier liegen die eigentlich schlimmen Nachrichten noch vor uns.
In Europa und den USA halten sich die Menschen ja bereits länger mit den Autokäufen zurück. Das konnte bislang ein wenig ausgeglichen werden in den boomenden Märkten wie China, Russland oder Südamerika. Die Finanzkrise sorgt dafür, dass auch hier die Nachfrage deutlich weniger steigen oder sogar sinken wird. Wer dann noch Autos kaufen soll, weiß ich nicht.
WDR.de: Was droht der Branche?
Dudenhöffer: In den nächsten zwei bis drei Monaten werden sich die Meldungen über Produktionskürzungen häufen. Das kann zunächst ja noch über den Abbau von Überstunden ausgeglichen werden. Aber spätestens im kommenden Jahr werden die Autobauer nicht um Kurzarbeit oder auch Entlassungen herumkommen. Zumindest dann nicht, wenn die Finanzkrise weiter anhält - und danach sieht es im Moment aus.
Schwierig wird es dann auch für die Zulieferer, von denen ja sehr viele in NRW sitzen. An jedem Job bei den Herstellern hängen etwa vier Arbeitsplätze bei den Zulieferern. Und hier kommen die Produktionsausfälle ja eins zu eins an.
WDR.de: Was droht in NRW?
Dudenhöffer: Bei NRW greift der Dominoeffekt noch weiter, weil hier auch die Stahlindustrie ins Gewicht fällt. Wenn keine Autos verkauft werden, werden keine gebaut, die Zulieferer leiden und eben auch die Stahlfirmen.
In NRW sitzen ja zwei Hersteller, Opel und Ford. Ford hat weltweit Produktionskürzungen von 15 Prozent angekündigt, da wird auch Deutschland nicht ganz verschont bleiben. Dabei steht das Werk in Köln noch ganz gut da, weil es sehr modern ist und hier der neue Fiesta gerade anläuft. Lediglich das Kölner Motorenwerk, in dem rund 900 Leute die großen Motoren für den US-Markt produzieren, wird wohl nicht zu halten sein.
WDR.de: Und Opel in Bochum?
Dudenhöffer: Hier kann man sich Sorgen machen. Zwar sind hohe Investitionen für die Produktion des neuen Astra geplant. Aber diese müssen erst einmal finanziert werden. Und die General-Motors-Aktie hat einen so rasanten Wertverfall erlebt, dass kaum eine Bank dem Unternehmen noch Kredite gibt. GM ist auf die staatlichen Hilfen angewiesen, um sich zu finanzieren. Aber ob die auch reichen, um alle Investitionen auch in Europa zu stemmen, ist noch nicht sicher.
WDR.de: Haben die Hersteller kleinerer, spritsparender und umweltfreundlicher Autos denn Vorteile?
Dudenhöffer: Nein, derzeit kommt es nicht darauf an, ob die Autobauer das richtige Modell haben oder das falsche. Die Verunsicherung bei den Käufern ist wegen der Finanzkrise so groß, dass schlichtweg weniger Autos gekauft werden. Das trifft alle gleichermaßen. Früher hieß es, die Luxus-Klasse sei unabhängig von der Konjunktur. Aber auch bei den Luxus-Marken sehen wir Produktionseinschränkungen.
Für die gesamte Autoindustrie mit ihren 750.000 Beschäftigten in Deutschland sehe ich jetzt drei sehr, sehr harte Jahre. Danach könnte es langsam wieder besser werden - aber auf niedrigerem Niveau.
Das Gespräch führte Bodo Scheffels.