Schornsteine stürzten ein, Ornamente fielen von Kirchenfassaden, mehr als 100 Gebäude wurden beschädigt - das Beben, das am Samstag (23.02.2008) das Saarland erschütterte, hatte eine Stärke von 4.0 auf der Richterskala. So stark war bislang in Deutschland noch kein bergbaubedingtes Erdbeben. Muss man in NRW, wo sieben der acht in Deutschland verbliebenen Steinkohlebergwerke stehen, ähnliches befürchten? Nein, meint Klaus Lehmann vom Geologischen Dienst NRW: "Es gibt derzeit keine Anzeichen, dass sich bei uns ähnlich starke Beben ereignen werden." Dafür seien die Gesteinsschichten im Untergrund zu unterschiedlich: "Im Saarland können sich seismische Schwingungen relativ gut bis zur Oberfläche fortpflanzen. Bei uns liegen noch einige hundert Meter Sedimentgestein dazwischen, das federt ab." Auch die Abbautechnik unterscheide sich, sagte ein Sprecher der RAG Deutsche Steinkohle AG. Die Abbautiefe im Saarland sei tiefer und die Kohleflöze dicker. Somit entstünden größere Hohlräume, die im Falle eines Einsturzes für größere Erschütterungen sorgten.
Auch in NRW bebt die Erde
Doch auch in NRW treten immer wieder Erdbeben auf, die in Zusammenhang mit dem Bergbau stehen. So wackelte am 17.02.2008 in Teilen von Moers, Kamp-Lintfort und Duisburg die Erde, ausgelöst durch einen Bergbruch in der nahen Zeche Kamp-Lintfort. Diese Erschütterungen, die auf der Richterskala 3,0 erreichten, seien die schwersten in NRW seit langer Zeit gewesen, sagt Lehmann vom Geologischen Dienst NRW. Nach Angaben der Bergverwaltung der Bezirksregierung Arnsberg ein harmloser Zwischenfall. Dort wurden bislang keine Schäden gemeldet.
Schwerpunkt
Bergschäden in der Hälfte aller NRW-Gemeinden
Auch ohne schwere Erdbeben kommt es in NRW immer wieder zu bergbaubedingten Schäden an Gebäuden, Straßen und Bahnlinien. Die passieren in der Regel dann, wenn sich die Erdoberfläche über den Abbaugebieten senkt und Risse und Trichter an der Oberfläche entstehen. Die Rechtsanwältin Doris Vorloeper, die seit Jahren Bergschadensopfer vertritt, geht von 40.000 Schadensmeldungen pro Jahr aus. "Die Hälfte aller Gemeinden in NRW sind potenzielle Bergschadensgebiete." Doch nicht nur aktive Zechen bergen Gefahren, so Vorloeper. "Es gibt ca. 2.000 alte Schächte im Ruhrgebiet, von denen sind viele nur unzureichend gesichert." So senkte sich im Sommer 2004 in einem Mülheimer Wohngebiet der Boden und verursachte eine 8,5 Millionen teure Sanierung - der bisher größte Bergschadensfall in NRW. Über die Hohlräume, die sich dort unter der Erde befanden, gab es keine Aufzeichnungen.
Bergbaugegner formieren sich
Die Schäden, die die Betroffenen davontragen, sind nicht immer sichtbar und somit sehr schwer nachweisbar. Auch leichte Erschütterungen, die keine Spuren an Häusern hinterließen, hätten gravierende Wirkungen, meint Klaus Friedrichs vom Verband der Bergbaubetroffenen in NRW: "Die Menschen werden um Schlaf und Ruhe gebracht. Ältere leiden an Herzrasen, Kinder haben Angst. Allein in Dorsten gab es letztes Jahr 1.100 spürbare Erschütterungen. Doch die Verantwortlichen blenden das alles aus." Friedrichs kündigte Protestaktionen und Demonstrationen an. Ob diese Wirkung zeigen, ist ungewiss. Die RAG Deutsche Steinkohle AG kündigte am Montag (25.02.2008) an, der Abbau in NRW werde wie gewohnt fortgesetzt. Im Saarland hingegen mehren sich die Anzeichen, dass das Erdbeben am Samstag dem dortigen Bergbau ein Ende gesetzt hat. Die dortige Landesregierung glaubt nicht daran, dass der Betrieb, der zurzeit ausgesetzt ist, wieder aufgenommen wird. Eine endgültige Entscheidung soll in zwei bis drei Wochen fallen.