Die Leistung des ersten Kanzlers (Teil 1)
"Adenauer stabilisierte die Demokratie"
Stand: 18.05.2009, 02:00 Uhr
Konrad Adenauer wurde der erster Kanzler der Bundesrepublik. Wie prägte er den jungen Staat? Im WDR.de-Interview würdigt Politik-Professor Hans-Peter Schwarz den Gründungsvater der zweiten deutschen Demokratie.
Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz gilt als Adenauer-Experte. Er hat in Hamburg, Köln und Bonn Politik und Zeitgeschichte gelehrt. Unter anderem verfasste er eine zweibändige Adenauer-Biographie.
WDR.de: Vor welcher Aufgabe stand Konrad Adenauer als erster Bundeskanzler?
Prof. Hans-Peter Schwarz: Adenauer hat im Frühjahr 1953 im Parteivorstand auf die vergangene Legislaturperiode Rückschau gehalten und festgestellt: "Es musste alles neu gemacht werden." Das war die Kernaufgabe der neuen Bundesregierung. Adenauer musste die Grundlagen schaffen für eine erneuerte Wirtschafts- und Sozialpolitik. Über zehn Millionen Vertriebene waren einzugliedern. Die zerstörten Städte mussten wiederaufgebaut werden. Es galt auch, Millionen von früheren NSDAP-Mitgliedern für die Idee der Demokratie zu gewinnen. Dazu kam das Bemühen, aus der Oberhoheit der drei westlichen Besatzungsmächte herauszukommen. Gleichzeitig hatte Adenauer alle Hände voll zu tun, die CDU als Bundespartei aufzubauen.
WDR.de: Welche außenpolitische Vision hatte Adenauer?
Politik-Professor Hans-Peter Schwarz
Schwarz: Adenauer hat in der Ost-West-Spannung die grundlegende Gegebenheit der Nachkriegszeit erkannt und sich vorbehaltlos für die Integration in die westlichen Demokratien entschieden. Der entscheidende Durchbruch erfolgte schon 1952 mit dem Deutschlandvertrag. Aber auch in der Frage der militärischen Sicherheit hat er ganz auf die westliche Allianz gesetzt. Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Deutschlandvertrages in Bonn ist in Paris der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft unterzeichnet worden. Aus dieser ist dann zwar nichts geworden, aber die Bundesrepublik ist 1955 der Nato beigetreten.
Adenauer spricht zur erlangten Souveränität
Neben der Westbindung kam es Adenauer auf die staatliche Selbstbestimmung an. 1955 erfolgte die Souveränitätserklärung. Adenauer, das wird heute oft vergessen, definierte die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches und erhob den Alleinvertretungsanspruch - dies in Abgrenzung zur DDR.
WDR.de: Welchen Stellenwert nimmt bei Adenauer die Wiedervereinigungspolitik ein?
Schwarz: Er hat seit 1949 vorerst keinerlei Möglichkeit gesehen, eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit durchzuführen und deswegen die Wiedervereinigungspolitik auf den zweiten Platz verschoben. Sein Konzept lautete: zunächst Wiedergewinnung der Souveränität, Wiederaufbau der Wirtschaft und Stabilisierung der Demokratie, dann erst Ost-West-Verhandlungen. In diesem Punkt lag ein Hauptgegensatz zur damaligen SPD-Opposition. Diese sah eine Priorität in dem Versuch, möglichst noch vor der definitiven Eingliederung in die westlichen Gemeinschaften Verhandlungen zwischen Ost und West über eine baldige Wiedervereinigung durchzusetzen.
WDR.de: Adenauer prägte im Februar 1949 den Begriff soziale Marktwirtschaft. Welchen Anteil hatte er am sogenannten Wirtschaftswunder?
Wirtschaftsminister Erhard und Adenauer
Schwarz: Die Wirtschaftpolitik der Regierung Adenauer war ein wesentlicher Faktor für die rasche Erholung der bundesdeutschen Volkswirtschaft. In anderen europäischen Ländern ließ der Boom länger auf sich warten. Adenauer hatte bereits 1948 Ludwig Erhard innerhalb der CDU durchgesetzt. Bis dahin fanden sich in der Partei vielfach Sympathien für einen demokratischen Sozialismus. Nach der Bundestagswahl 1949 holte Adenauer Erhard als Bundeswirtschaftsminister ins Kabinett. In diesem Rahmen hat Erhard dann mit Adenauers Rückhalt das Konzept der sozialen Marktwirtschaft durchgesetzt und populär gemacht.
Trotz mancher Kräche, besonders in der Spätphase der Adenauerschen Kanzlerschaft, verblieb Erhard im Amt des Bundeswirtschaftsministers. Insofern war die Ära Adenauer auch eine Ära Erhard. Die phantastische Entwicklung der Wirtschaft mit jährlichen Zuwachsraten von bis zu zehn Prozent, hat entscheidend dazu beigetragen, die Demokratie zu festigen.
WDR.de: Adenauers rechte Hand war Hans Maria Globke, der in der Nazizeit einen Kommentar zu den menschenverachtenden Nürnberger Gesetzen verfasst hatte. Wie beeinflusste er Adenauers Politik?
Adenauer und Staatssekretär Globke
Schwarz: Globke kam aus der preußischen Ministerialverwaltung. Er war ein in der Wolle gefärbter Katholik, der 1933, stark von den Bischöfen beeinflusst, in seinem Amt als Personenstandsreferent im Reichsinnenministerium verblieb, somit auch zuständig für Fragen der Durchführung der Nürnberger Gesetze, besonders in Eheangelegenheiten. Er gehörte zu denen, die geblieben sind, um Schlimmeres zu verhüten.
Adenauer hat sich sehr stark auf diesen Verwaltungsfachmann gestützt, der aber wegen des Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen zunehmend umstritten war. Globke wurde zunächst Ministerialdirektor, dann Staatsekretär im Bundeskanzleramt und Adenauer hielt ihn bald für einen unersetzlichen Helfer. Politisch aber war es ein Fehler, dass er diesen umstrittenen Mann bis 1963 in maßgebender Position an seiner Seite hielt.