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Aktienkauf gegen den Trend

Mit Gewinn durch die Krise

Stand: 08.10.2008, 17:16 Uhr

Staaten und Konzerne verlieren Milliarden in der Finanzmarktkrise. Doch es gibt auch mögliche Gewinner, erklärt ein Wirtschaftsexperte der Uni Duisburg-Essen. Die Schuldner und die Linkspartei zählen dazu.

Torben Hendricks ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Makroökonomik der Universität Duisburg-Essen.

WDR.de: Welche Unternehmen und Bereiche werden von der Finanzkrise weniger in Mitleidenschaft gezogen?

Torben Hendricks: Zeitweise sind auch in den vergangenen Wochen die Börsenkurse einzelner Unternehmen nach oben gegangen. Aber die trifft es dann meist zwei, drei Tage später auch - sie werden im Sog des Abwärtstrends mitverkauft. Ausnahmen bilden vielleicht der Telekommunikationssektor, die Pharmazie und das Gesundheitssegment. Diese Bereiche sind auch in Krisenzeiten auf dem Aktienmarkt relativ stabil. Krank wird man leider immer; telefonieren und kommunizieren müssen wir auch - deshalb können die aufgezählten Branchen auf stabile Erträge bauen. Das heißt nicht, dass sie wirklich Gewinner der Finanzkrise wären, aber sie sind weniger betroffen als andere.

WDR.de: Gibt es denn tatsächlich Gewinner der Finanzkrise?

Hendricks: Sichere Anlagen wie Staatsanleihen, Gold und sogar der Dollar profitieren im Moment von der Finanzkrise. Das ist zwar auf den ersten Blick erstaunlich, liegt aber meiner Meinung nach vor allem am Euro-Dollar-Verhältnis: Weil Europa immer noch aus einzelnen Nationalstaaten besteht, die jeder für sich versuchen, die Finanzkrise zu bewältigen, sind die USA als Einheit im Vorteil. Bei uns versucht jeder Einzelstaat, das Beste für die eigene Nation herauszuholen. Wenn drei oder vier Länder an den Verhandlungen beteiligt sind, wird es schwieriger einen Konsens zu finden, als in den USA, wo es nur eine Regierung gibt. Daher erscheint den Anlegern zurzeit der Dollar im Vergleich zum Euro als sicherere Anlage.

WDR.de: Kann auch der Ottonormalverbraucher der Krise etwas Positives abgewinnen?

Hendricks: Zumindest Schuldner können von der Finanzkrise profitieren. Zum Beispiel bei Bankkrediten für den Hausbau ist der Zinssatz festgeschrieben. Das ist der Nominalzinssatz. Entscheidend ist aber der Realzinssatz: Der Nominalzinssatz wird um die Inflationsrate korrigiert. Wenn nun die Notenbanken Geld in den Geldmarkt hineinbringen, werden die Inflationsraten mittel- bis langfristig steigen. Dadurch sinken die Realzinsen und damit ist die Realbelastung des Kreditnehmers bei Abzahlung geringer. Schuldner gewinnen also durch die Finanzkrise, weil der Aufwand der Rückzahlung nicht mehr so hoch ausfällt.

WDR.de: Gibt es auch politische Gewinner?

Hendricks: Politisch werden jetzt alle Gegner des Kapitalismus bestärkt. In Deutschland könnte die Linkspartei bei der nächsten Wahl deutliche Gewinne an Wählerstimmen einfahren.

Das Gespräch führte Lisa Maria Boscheinen.