Hoffnung auf Ende der Wirtschaftskrise
Licht am Ende des Tunnels?
Stand: 17.08.2009, 17:39 Uhr
Die Krise hat die stark exportabhängige Wirtschaft in NRW besonders heftig getroffen. Inzwischen hat sich die Konjunktur in Gesamtdeutschland bereits minimal erholt - und auch in NRW könnte das Schlimmste ausgestanden sein.
Von Petra Blum
Die Unternehmen in der gewerblichen Wirtschaft in NRW schätzten ihre Lage im Juli 2009 besser ein als in der Vergangenheit - und das bereits zum vierten Mal in Folge. Das ergab der NRW-Bank ifo-Index, in dem Unternehmen sowohl nach ihrer Einschätzung des aktuellen Geschäftsklimas als auch nach den Zukunftsperspektiven befragt werden. "Die Ergebnisse des ifo-Indexes sprechen dafür, dass die Wirtschaft in NRW die Talsohle durchschritten hat. Ab jetzt werden wir eine langsame und auch fragile Erholung erleben", sagt Ingo Hospes von der NRW-Bank in Düsseldorf. "Das was man vom konjunkturellem Einbruch erwartet hatte, ist in NRW bislang nicht ganz so schlimm eingetreten, wie es hätte sein können", betont auch Ralf Mittelstädt von der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in NRW.
Damit bestätigt der ifo-Konjunkturtest in Nordrhein-Westfalen einen bundesweiten Trend. Die deutsche Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal, also in den Monaten April bis Juni, um minimale 0,3 Prozent erholt - allerdings nur im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2009. Vergleicht man das Bruttoinlandsprodukt mit dem zweiten Quartal 2008, liegt es noch um erschreckende 7,1 Prozent im Minus. "Die deutsche Wirtschaft hat aber zur Jahresmitte die Talsohle erreicht", urteilt Peter Hohlstedt vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf - und warnt gleichzeitig vor zu viel Konjunktureuphorie: "Das heißt, es wird keinen so dramatischen Rückgang mehr geben, aber dennoch sind wir von einem durchgreifenden Aufschwung noch weit entfernt."
Mal eine rote und mal eine schwarze Null
Konjunkturforscher gehen ab jetzt von einer längeren Phase der wirtschaftlichen Stagnation aus - das heißt, das Bruttoinlandsprodukt könnte mal in einem Quartal minimal wachsen, im nächsten wieder minimal schrumpfen - ohne aber in eine steile Aufwärtskurve einzubiegen. Konjunkturelle Rückschläge drohen zusätzlich vom Arbeitsmarkt: Denn bundesweit haben Unternehmen die Kurzarbeit massiv ausgeweitet. Zieht die Konjunktur nicht an, wird für viele die Kurzarbeit auf Dauer zu teuer, und sie müssen ihre Belegschaft reduzieren. Mit fatalen Folgen für die Wirtschaft: Denn wer keinen Job mehr hat oder um seinen Arbeitsplatz bangt, konsumiert auch weniger. Ein Rückgang des privaten Konsums schadet nicht nur dem Handel, sondern der gesamten Wirtschaft.
Bangen vor dem Ende der Abwrackprämie
Genau das könnte bald auch in den Kernbranchen in NRW, also dem Maschinenbau, der Chemieindustrie sowie der Automobilbranche der Fall sein. "Zwar hat sich die Auftragslage im verarbeitenden Gewerbe in NRW verbessert, aber die Produktionsanlagen sind mit unter 70 Prozent bei weitem noch nicht ausgelastet. Es besteht die Gefahr, dass sich einige Unternehmen überlegen, ob sie bei dieser Unterauslastung ihre Belegschaft reduzieren müssen", sagt Ingo Hospes von der NRW-Bank. Experten gehen davon aus, dass das zu einem herben Rückschlag für das zarte Pflänzchen Aufschwung in NRW führen könnte. Bundesweit wird mit einem Anstieg von etwa einer Million Arbeitslosen zusätzlich bis 2010 gerechnet - überträgt man das auf das Land Nordrhein-Westfalen, das 20 Prozent der deutschen Wirtschaft ausmacht, wären das rund 200.000 Arbeitslose mehr. Aktuell sind mehr als 800.000 Menschen in NRW arbeitslos.
Das größte Sorgenkind unter den Kernbranchen in NRW ist dabei die Automobilindustrie. Aktuell erfreut sich die gesamte Branche zwar noch an der Sonderkonjunktur durch die Abwrackprämie, die nicht zuletzt auch den strauchelnden Traditionsautobauer Opel gestützt hat. Nach dem förderbedingten Boom steht allerdings womöglich ein böses Erwachen bevor. "Die Abwrackprämie hat in erheblichem Umfang zu vorgezogenen Verkäufen geführt", warnt Autoexperte Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach. "Abseits der staatlichen Förderung ist in der Branche noch kein Aufschwung in Sicht. In der Folge wird der Absatz in Deutschland nächstes Jahr den stärksten Einbruch seit der Wiedervereinigung erleben." Das werde nicht nur Autobauer wie Opel, sondern auch Händler und Zulieferer betreffen. In der Folge drohen Insolvenzen und Entlassungen.
Paradeindustrie Maschinenbau schöpft Hoffnung
Lichtblicke aus der Industrie gibt es aber bereits, nicht zuletzt aus der nordrhein-westfälischen Paradeindustrie, dem Maschinenbau: Die Auftragseingänge ziehen wieder leicht an. "Wir hoffen, dass wir allmählich die Talsohle erreicht haben", sagt Hans Jürgen Alt vom Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer in NRW. "Es gibt erste Anzeichen, dass es wieder aufwärts gehen könnte." Die Maschinenbauer setzen dabei vor allem auf ihre Absatzmärkte im Ausland, denn 75 bis 90 Prozent ihrer Produkte gehen in den Export. Vor allem freuen sie sich über staatlich gestütztes Wachstum in China und hoffen auf ein baldiges Ende der Krise in den USA. "Und wenn die Konjunktur weltweit erst wieder anzieht, dann sind wir ganz vorne mit dabei", ist Alt zuversichtlich.
Bauwirtschaft profitiert von Konjunkturprogrammen
Ein Silberstreifen am Horizont kommt auch von der Chemieindustrie. "Hier sehen wir das Geschäftsklima in NRW schon fast wieder im positiven Bereich", betont Konjunkturexperte Hospes. Aktuell übertraf der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern Bayer mit seinen Geschäftszahlen alle Erwartungen, weil das Ergebnis bei weitem nicht so schlecht ausfiel wie prognostiziert. Auch in der Bauwirtschaft können einzelne Bereiche wie beispielsweise der Tiefbau bereits wieder Hoffnung schöpfen: Unternehmen wie der Essener Baukonzern Hochtief profitieren davon, dass jetzt allmählich Projekte anlaufen, die durch die Konjunkturprogramme der Bundesregierung gefördert werden.
Die Zeichen für ein Ende der Talsohle mehren sich - und abseits der verarbeitenden Industrie hat der Wirtschaftsstandort NRW auch noch einiges zu bieten, was der Krise trotzen kann. Das Ruhrgebiet beispielsweise ist längst keine von Kohle- und Montan-Industrie getriebene Region mehr. "Regionen wie die Rheinschiene oder auch Teile des Ruhrgebietes haben immer mehr auf Dienstleistungsindustrie gesetzt, wie beispielsweise IT", sagt Ralf Mittelstädt von der Vereinigung der Industrie- und Handelskammer. Dienstleistungssektoren wie die Informationstechnologie sind nicht so stark vom Abschwung betroffen wie das verarbeitende Gewerbe. Regionen, die diese Wirtschaftszweige gefördert haben - so die Hoffnung - können nun davon profitieren - und vielleicht einem zarten, wirtschaftlichen Aufschwung in NRW zusätzlichen Antrieb geben.