Reportage von der Urteilsverkündung
"Zutiefst terroristische Tat"
Stand: 09.12.2008, 13:10 Uhr
Mit einer hasserfüllten Geste ist der "Kofferbomber"-Prozess zu Ende gegangen. Noch bevor der 24-jährigen Libanese Youssef El-H. zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, zeigte er, wie wenig Respekt er den Anwesenden entgegen brachte.
Von David Ohrndorf
"Nicht ...", Verteidiger Bernd Rosenkranz versucht noch, seinen Mandanten Youssef El-H. zurückzuhalten, aber es bricht aus ihm heraus: Mit wutverzerrtem Gesicht hält der 24-Jährige seine beiden Mittelfinger in die Kameras. Kurz vor der Urteilsverkündung ahnt er vermutlich schon, dass es mit dem Freispruch, den seine Verteidiger gefordert haben, nichts werden wird. Einer seiner Anwälte erklärt später, es habe sich "um Gesten der Erschöpfung und Aufregung gehandelt".
In seinem beigen Kapuzenpullover sitzt Youssef El-H. auf der Anklagebank. Den Pullover trug er bereits vor rund einem Jahr, zu Beginn des Prozesses, aber sein Gesicht hat sich verändert. Sein Vollbart ist dichter und länger geworden und nach den Details aus seinem Leben, die im Prozess bekannt wurden, hält ihn niemand mehr für einen einfachen Austauschstudenten aus dem Libanon.
Für die Richter ist klar: Youssef El-H. deponierte gemeinsam mit seinem im Libanon gefassten Komplizen Jihad H. im Sommer 2006 am Kölner Hauptbahnhof in Koffern versteckte Sprengsätze in zwei Regionalzügen.
"Deutschland war islamistischem Anschlag nie näher"
Nach 59 Verhandlungstagen und 76 gehörten Zeugen ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass Youssef El-H. eine "radikal islamistische Grundeinstellung" hat. Sein Plan, mit den beiden Kofferbomben "eine möglichst große Zahl Ungläubiger zu töten", sei "zutiefst terroristisch" gewesen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass allein die "laienhafte Kenntnis" des Angeklagten dafür verantwortlich ist, dass die Bomben nicht explodiert sind. Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling teilt die Einschätzung der Bundesanwaltschaft, dass Deutschland "einem islamistischen Anschlag nie näher gestanden habe". Der Beteuerung von Youssef El-H., er habe lediglich mit "Bombenattrappen" Angst verbreiten wollen, schenkt das Gericht keinen Glauben.
Angeklagter gibt sich unbeteiligt
Während der Richter über drei Stunden hinweg die Urteilsbegründung verliest, sitzt Youssef El-H. meist unbeteiligt auf der Anklagebank. Als die Dolmetscher ihm per Kopfhörer übersetzen, für wie gefährlich ihn der Richter hält, lächelt er. Bei der Beschreibung der "laienhaften" Kofferbomben begutachtet er seine Fingernägel. 190 Aktenordner füllen die Pozessunterlagen inzwischen. Darunter das Geständnis des Komplizen von Youssef El-H., das die libanesischen Behörden nach Düsseldorf geschickt hatten. Die Verteidigung vermutet, diese Aussage sei unter Folter zu Stande gekommen. Das Gericht geht nicht davon aus, vielmehr sieht es das Dokument als "wesentlichen Baustein" zur Beurteilung des Falles.
Richter Ottmar Breidling gibt einen verstörenden Einblick in die Welt des Libanesen: Er habe Osama bin Laden und jenen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi verehrt, der im Irak eigenhändig Geiseln enthauptet hat. Videos von Enthauptungen und Anschlägen auf US-Soldaten hätten ihn begeistert, während sich seine Bekannten voller Ekel abwandten.
Höchste Sicherheitsvorkehrungen
Der Prozess vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen im abgeschirmten Hochsicherheitstrakt statt. Schon bevor der Richter das Urteil gesprochen hatte, kündigten die Anwälte von Youssef El-H. an, Revision einzulegen. Aspekte, die zu Gunsten ihres Mandanten sprächen, seien nur am Rande erwähnt worden, der Richter habe in seiner Begründung das Bild eines durch und durch "schlechten Menschen" gezeichnet - dazu hat allerdings auch Youssef El-H. beigetragen. Spätestens mit seinen eindrücklichen Gesten vor Gericht.