Eigentlich startet die Geschichte der Zeche Friedrich-Heinrich vor 300 Millionen Jahren, als sich abgestorbene Pflanzen am Niederrhein beginnen, in Kohle zu verwandeln. 1854 entdeckt der Industriepionier Franz Haniel das schwarze Gold bei einer Probebohrung. Damit ist erstmals bewiesen, dass auch linksrheinisch Kohle in der Erde verborgen ist. "Der Kohleabbau begann rechtsrheinisch bereits 30 bis 40 Jahre früher. Alle Felder dort waren vergeben und Investoren suchten nach neuen Möglichkeiten" sagt der Historiker Stefan Moitra, der anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Bergwerks ein Buch geschrieben hat.
Franzosen kaufen erste Niederrheinische Zeche
Nach dem Fund von Franz Haniel dauert es noch knapp 50 Jahre, bis im Jahr 1906 27 Interessenten in Köln die deutsch-französische Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich AG gründen. Kurz zuvo hatten die Erben des Viersener Industriellen Friedrich von Diergardt das Grubenfeld, das nach Diergardts Sohn Friedrich Heinrich benannt wird, für fünf Millionen Reichsmark an eine französische Bankengruppe verkauft.
Ohne Bergbau keine Stadt
Die Stadt Kamp-Lintfort existiert Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht. Das Gebiet abseits der großen Verkehrswege besteht aus den Dörfern Kamp und Lintfort sowie vier weiteren kleinen Gemeinden. "Die Zeche ist der Bindestrich zwischen Kamp und Lintfort. Ohne die Kohle hätte es diese Stadt wahrscheinlich nie gegeben", so Moitra. Innerhalb weniger Jahre entstehen mitten auf dem "platten Land" ein Bergwerk mit zwei Schächten, Ziegeleien, Werkssiedlungen, Geschäftshäuser, Schulen, Kirchen, Straßen und Plätze, die bis heute das Ortsbild prägen. Im Sommer 1912 kann Friedrich Heinrich mit jetzt 835 Beschäftigten die Förderung aufnehmen.
Churchill und Eisenhower im Kamp-Lintforter Kasino
Die Franzosen haben bis Ende der 60er Jahre das Sagen im Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich. "Kompliziert war die Situation während des ersten und zweiten Weltkrieges, aber nach Kriegsende haben sie immer wieder die Leitung übernommen", erzählt der Historiker. Er berichtet von einer historischen Begegnung im Jahr 1945: der britische Premierminister Churchill und de amerikanische General Eisenhower rauchen im Garten des Zechen-Kasinos eine Zigarre miteinander. Von einem der Fördertürme aus beobachtet Eisenhower dann mit General Simpson und Generalmajor Andersen das beginnende Artilleriefeuer am Rhein.
Europaweite Maßstäbe gesetzt
Das Bergwerk entwickelt sich zu einem der modernsten seiner Art. 1957 sind hier fast 8.600 Menschen beschäftigt. "Anfang der 50er Jahre war Friedrich Heinrich die erste vollmechanisierte Zeche in Europa. Das hat Maßstäbe gesetzt. Zwar wurde die Arbeit der Kumpel dadurch erleichtert und die geförderte Kohlemenge erhöht, doch zu diesem Zeitpunkt begann die Kohlekrise", so Moitra. Der wirtschaftliche Niedergang des Steinkohle-Bergbaus in Deutschland erreicht einen ersten Höhepunkt 1963, als dreizehn Zechen schließen. Die Friedrich Heinrich AG wird Ende 1969 aufgelöst; ihr Bergbauvermögen geht auf die neu gegründete Ruhrkohle AG über. 1993 erfolgt der Verbund mit dem Bergwerk Rheinland zum Bergwerk Friedrich Heinrich/Rheinland.
Spektakuläre Aktionen
In den 90er Jahren machen die Bergleute aus Kamp-Lintfort mit spektakulären Aktionen im Kampf für den Erhalt des Kohlebergbaus Schlagzeilen: Sie ziehen per Hand eine Kohlelore nach Berlin, streiken, halten Mahnwachen, besetzen das Steinkohlenkraftwerk in Bergkamen und in der Christuskirche richteten die Frauen der Bergleute wochenlang ein Feldlager ein, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Das Ende für Friedrich Heinrich
Der Kampf der Kumpel und auch die Zusammenlegung mit der Zeche Niederberg zum Bergwerk West im Jahr 2002 haben nicht geholfen – das Zechensterben nimmt seinen Lauf. Die heimische Steinkohle kann seit langem mit den Weltmarktpreisen nicht mehr konkurrieren. Die milliardenschweren Subventionen für die deutschen Zechen müssen nach EU-Recht Ende 2018 eingestellt werden.
Am 21. Dezember 2012 - 100 Jahre nach der Gründung - fördern die Kumpel die letzte Kohle aus der Tiefe. 2.500 Bergleute arbeiten dort zuletzt. 1.600 wechseln auf die verbleibenden drei Zechen in NRW, Prosper Haniel in Bottrop, Auguste Victoria in Marl und auf die Anthrazit-Zeche in Ibbenbüren. Andere gehen in den Vorruhestand und für etwa 130 Bergleute wird noch eine Lösung gesucht. Für die Stadt Kamp-Lintfort, in der heute 38.000 Menschen leben, wird ein Masterplan über die Zukunft des Zechenareals erarbeitet.