Erst Rheinpreußen, dann Pattberg und jetzt Kamp-Lintfort – Manfred Reis hat in diesen drei Zechen gearbeitet und sie sterben sehen. "Eigentlich wollte ich nie beim Bergbau bleiben, doch nach der Ausbildung als Schlosser ergaben sich dort immer wieder gute Aufstiegschancen für mich", erzählt der 58-Jährige. Er war Abteilungsleiter mit viel Verantwortung. Heute ist Manfred Reis Rentner, nutzt seine freie Zeit für die Familie und engagiert sich für den Verein "Fördergemeinschaft für Bergmannstradition Linker Niederrhein". Dieser sorgt dafür, dass Geschichte und Geschichten der Bergleute in Kamp-Lintfort lebendig bleiben.
100 Jahre Zeche Friedrich-Heinrich
Die Geschichte der Stadt beginnt vor 100 Jahren, als die Zeche Friedrich-Heinrich den Betrieb aufnimmt und ihr ein Gesicht gibt mit der hübsch gepflegten Werksiedlung, den mächtigen Backsteingebäuden und dem roten Förderturm, der als Wahrzeichen über der Stadt ragt.
Masterplan nimmt Form an
Rein optisch soll sich in Kamp-Lintfort nicht allzu viel ändern, nur die Funktion der Bauwerke wird eine andere. "Wir werden viele stadtbildprägende Gebäude erhalten. Mit einem Masterplan arbeiten wir seit 2008 an einem Konzept zur Folgenutzung", sagt Wirtschaftsförderer Andreas Iland. Dabei sei von Anfang an die Bevölkerung zu Rate gezogen worden.
Bahnhof wird dringend gebraucht
Iland: "Wir haben fünf große Informationsveranstaltungen gemacht. Hunderte Besucher kamen, brachten Ideen und Bedenken mit ein. Insgesamt sehe ich die Stimmung in der Stadt als optimistisch. Kamp-Lintfort ist in Aufbruchstimmung." Auf einem Teil des Zechengeländes hat sich die neue Hochschule Rhein-Waal niedergelassen. Weitere Flächen werden zu Gewerbegebieten umfunktioniert und ein großer Wunsch von Andreas Iland ist ein Bahnhof. "Kamp-Lintfort ist derzeit die drittgrößte Stadt Deutschlands, die vollständig ohne eine Anbindung an den Schienenpersonenverkehr auskommen muss", sagt er.
"Zu weit ab vom Schuss?"
Im Rathaus stehen am Eingang einige Kartons mit roten Kerzen. Hans Müller greift zu. "Um 17 Uhr sollen die Bürger am Freitag eine Kerze ins Fenster stellen als Zeichen der Hoffnung. Da mache ich mit", sagt er. Der Kamp-Lintforter hat zwar selber nicht im Bergwerk Friedrich-Heinrich gearbeitet, aber kennt viele Kumpel. "Keiner von ihnen hat je bereut, diesen Job gewählt zu haben. Es ist schon traurig, dass jetzt damit Schluss ist. Aber es geht auch ohne Bergwerk", so Müller. Die SPD hatte die Aktion "Lintforts Lichter brennen weiter" ins Leben gerufen als Symbol für den Start einer neuen Ära in der Stadtgeschichte. "Nach der Pleite des Handy-Herstellers BenQ, bei der 1.600 Menschen in Kamp-Lintfort ihre Arbeit verloren haben, bin ich skeptisch. Vielleicht sind wir doch zu weit ab vom Schuss hier?", fragt sich Simone Koch. Doch von hier wegziehen kommt für die zweifache Mutter nicht in Frage.
Rückbau dauert bis Ende 2013
Auch Thomas Zingsheim bleibt dem Niederrhein treu. Und dem Bergbau. Der 48-Jährige wird in den kommenden Monaten die Zeche Friedrich-Heinrich mit einigen Hundert Kumpel zurückbauen und ab 2014 zum Bergwerk Prosper-Haniel im 30 Kilometer entfernten in Bottrop wechseln. Zingsheim: "Auch die Zeche Prosper-Haniel wird nach ihrer aktiven Zeit zurück gebaut werden müssen, so dass ich hoffentlich bis 2021 beschäftigt bin".