Neuer Finanzausgleich trifft Städte wie das ländliche Tecklenburg
Die Verlierer-Stadt
Stand: 23.02.2011, 12:01 Uhr
Ein geplantes Landesgesetz zum kommunalen Finanzausgleich macht manch arme ländliche Stadt noch ärmer. Beispiel: Tecklenburg im Münsterland. Der Bürgermeister spricht von einem finanziellen Kollaps. Die Zeche zahlen die Einwohner.
Von Marion Menne
Dialogbox
KommentierenEin hübsches Fachwerkstädtchen auf dem Höhenzug des Teutoburger Waldes, 9.700 Einwohner, viele Touristen. Es gibt ein Waldbad, ein Kulturhaus, Campingplätze und eine Freilichtbühne, die mit "Peter Pan" ins neue Jahr startet. Bürgermeister ist seit 2009 der 37-jährige SPD-Mann Stefan Streit. Wenn er über den "finanziellen Kollaps" seiner Stadt spricht, gebraucht er starke Worte: Der Haushalt sei ein "Krater des Elends", sagt er.
Ein Drittel weniger Landeszuschüsse
Tecklenburg ist seit Jahren klamm, der Haushalt 2010 hatte laut Streit ein Minus von 3,8 Millionen Euro. Der Grund aber für die akute Klage ist die Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) 2011. Das Gesetz wurde am Mittwoch (23.02.11) in den Düsseldorfer Landtag eingebracht. Wird es im Mai verabschiedet, werden die Grunddaten aktualisiert - etwa die Einwohnerzahl oder die Höhe der Sozialausgaben. Die Landeszuschüsse an die Kommunen werden dadurch ganz neu berechnet. Nach einer ersten Modellrechnung bekäme Tecklenburg etwa ein Drittel weniger Schlüsselzuweisungen als geplant. Stadtkämmerer Erwin Strübbe hat ausgerechnet, dass seine Stadt ohne die Änderung 2,4 Millionen Euro erhalten hätte, mit der Änderung wären es lediglich 1,6 Millionen Euro, rund 800.000 Euro weniger.
Weniger Hartz-IV-Empfänger, weniger Geld vom Land
Warum Tecklenburg zu den Verlierern der Reform gehört? Städte, die viele Hartz-IV-Empfänger haben, bekommen nach Einschätzung von Strübbe in der Regel mehr Geld. Städte, die weniger "Soziallasten" haben, erhielten weniger. Verlierer der neuen Berechnung seien ländliche Kommunen, speziell auch im Münsterland, wo nicht so viele Hartz-IV-Familien leben wie in der Stadt. Tecklenburg hat laut Bürgermeister Streit lediglich 120 solcher "Bedarfsgemeinschaften".
Bürger müssen mehr Steuern zahlen
Die Nachricht aus Düsseldorf, dass es wohl weniger Geld geben wird, erreichte die Kommunalpolitiker kurz vor Weihnachten 2010, als sie bereits "eines der größten Konsolidierungspakete der letzten 20 Jahre" beschlossen hatten. 800.000 Euro pro Jahr wollten sie einsparen, wie Bürgermeister Streit berichtet. Die angekündigte Neuberechnung der Zuschüsse vom Land würde den Spareffekt in diesem Jahr wieder null und nichtig machen.
Mit der "Rasenmähermethode" seien bei allen Haushaltsposten, wo es vertretbar schien, bis zu zehn Prozent der Gelder gestrichen worden. Ausgenommen wurden Schulen und Soziales. Die Bürger würden nun den Spardruck bei den Steuern merken. Sie müssten noch tiefer in die Tasche greifen, denn die Steuern sollen um acht bis zehn Prozent steigen - die Hundesteuer, die Zweitwohnsteuer, die Gewerbesteuer, die Grundsteuer für Landwirte und Hausbesitzer.
Hohe Schulwegkosten werden nicht berücksichtigt
Für Kämmerer Strübbe liegen die Gründe für die schlechte Finanzlage der Stadt auf der Hand. Abgesehen von der Wirtschaftskrise, die auch Tecklenburg erfasst hat - die Steuerkraft sei von Mitte 2009 bis Mitte 2010 um sieben Prozent zurückgegangen - seien die Kosten für die Wege der Schüler zu hoch. Zu Tecklenburg gehören noch drei weitere Ortschaften, insgesamt muss die Stadt vier Grundschulen, ein Gymnasium und eine Hauptschule stemmen. Zwei Drittel der Schüler stammen laut Strübbe von außerhalb. Und Tecklenburg zahle die Beförderungskosten für die Nachbarkommunen. Pro Jahr seien das insgesamt 900.000 Euro.
Bürgermeister: "Die Zitrone ist ausgequetscht"
Die Schülerzahlen sind bislang noch nicht bei der Änderung der Grunddaten für den Finanzausgleich berücksichtigt worden. Bürgermeister Streit hofft, dass dies in einer nächsten Stufe geschieht. Dann würde Tecklenburg profitieren. Für 2011 sind nun aber neue Sparmöglichkeiten gefragt. "Die Konsolidierungsbemühungen müssen weitergehen", lautet Streits Devise. Aber er sagt auch, dass die Tecklenburger Bürger die Belastungsgrenze bei den Realsteuern erreicht hätten: "Die Zitrone ist ausgequetscht."
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