Projekte liefen spät an
Wie läuft's mit dem Konjunkturpaket II?
Stand: 10.11.2010, 10:20 Uhr
Angekündigt als die "größte Maßnahme in der Geschichte der Bundesrepublik" schnürte die Bundesregierung Anfang 2009 das Konjunkturpaket II: 50 Milliarden Euro, um der Wirtschaft aus der Krise zu helfen. Wo hat das Paket Wirkung gezeigt?
Von Nina Magoley
Genau 2.133.440.000 Euro aus dem Konjunkturpaket II gingen an Nordrhein-Westfalen. Das Land selber legte noch drauf, so dass schließlich 2,8 Milliarden Euro bereit standen, um vor allem dem Mittelstand wieder auf die Beine zu helfen. Die Verteilung war klar strukturiert: Ein Teil für die Bildung - Kommunen sollten damit Kindergärten, Schulen oder Hochschulen sanieren und ausbauen. Ein Teil für die "kommunale Infrastruktur" - für marode Krankenhäuser oder Straßen. Außerdem stand da noch die Abwrackprämie auf der Liste, Steuersenkungen, Kinderbonus. Schnell und unbürokratisch sollte das Geld fließen, möglichst bald sollte das Handwerk wieder in Arbeit kommen. Doch ganz so einfach ging es offenbar nicht.
"Viele Projekte brauchten zu langen Vorlauf"
"Solche Programme sind nicht aus dem Stand ans Laufen zu bringen", sagt Roland Döhrn, Konjunkturforscher am Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaft (RWI). Gerade die Idee, die Baubranche mit spontan ermöglichten Projekten in Schwung zu bringen, sei illusorisch. "Viele davon brauchten viel zu langen Vorlauf." Erst Ende 2009 konnten die ersten Bauprojekte beginnen - "da war die Konjunktur längst schon aus der Talsohle heraus". Praktische Erfahrung damit, wie das Konjunkturpaket II funktionierte, machte der Wissenschaftler im eigenen Haus: Ebenfalls aus Mitteln der Maßnahme war dem RWI 2009 eine Umbaumaßnahme genehmigt worden. Die Planung und Vorbereitung dafür hätten aber soviel Zeit in Anspruch genommen, dass erst Mitte 2010 die ersten Handwerker im RWI anrückten. Fertig soll das Projekt Ende 2011 sein. "Unter dem Titel Konjunkturprogramm kann das nicht laufen", meint Döhrn.
Bauplanung dauert lange
Dass der RWI-Bau kein Einzelfall ist, bestätigen auch die Betroffenen aus der Handwerkerbranche. Der erste wirkliche Effekt der Wirtschaftshilfe sei erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu spüren gewesen sei, sagt Hermann Schulte-Hiltrop, Hauptgeschäftsführer der Baugewerksverbände Westfalen. "Aber wer den Ablauf einer Bauplanung kennt", fügt er hinzu, "wusste von Anfang an, dass die Aufträge nicht von heute auf morgen kommen würden." Bei den Handwerksbetrieben sei man sich einig, dass das Konjunkturpaket II "absolut hilfreich" gewesen sei, um die Krise abzufedern. Trotz verzögerter Wirkung sei es immer noch "genau zum richtigen Zeitpunkt" gekommen. "Ohne diese Maßnahme hätten sicherlich einige Betriebe nicht überlebt", meint Schulte-Hiltrop. Dennoch schränkt er ein: "Wirklich profitiert hat nur das Ausbaugewerbe: Dachdecker, Fenster- und Heizungsbauer, Maler". Den Rohbau-Firmen, "die vorher schon besonders in der Krise steckten", sei das Paket kaum zugute gekommen. Vor allem deswegen, weil die Kommunen sich hauptsächlich auf Sanierungsprojekte zur Energieeinsparung konzentriert hätten, um auch zukünftig die Kosten senken zu können.
Kommunen überfordert
So zum Beispiel in Gelsenkirchen, eine der ärmsten Kommunen NRWs. Knapp 32 Millionen Euro hat die Stadt aus dem Konjunkturpaket zugewiesen bekommen, 78 Baumaßnahmen wurden in Angriff genommen - hauptsächlich energetische Sanierungen an Schulen und Sporthallen. Der Vorteil dabei: Die Planungszeit dafür sei relativ kurz gewesen, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann, "Fensterbauer haben ziemlich schnell ziemlich viele Fenster verkauft." Auch das Glasfasernetz, an das einigen Schulen endlich angeschlossen werden konnten, habe die entsprechenden Firmen "schnell auf die Haben-Seite gebracht". Bei vielen anderen Projekten allerdings sei der Aufschwung-Effekt auch in Gelsenkirchen nicht so deutlich zu erkennen, räumt Schulmann ein: "Es hat den Unternehmen Aufträge gebracht - bis die aber ihr Geld dafür kriegen, das kann noch dauern." So wird ein großer Auftrag zur Straßensanierung mit Flüsterasphalt erst im Sommer 2011 starten können. "Die Planung hat einfach viel Zeit gebraucht", sagt Schulmann, "außerdem hatten wir in der Verwaltung keine Leute mehr, die sich darum kümmern konnten."
"Vorzeigeprogramm" Abwrackprämie
Auch das hält Wirtschaftsforscher Döhrn für einen weiteren Haken am Konjunkturpaket II: Viele Kommunen seien schlicht mit der Bearbeitung überfordert gewesen. "Nachdem in den letzten Jahren viel Personal eingespart werden musste, war jetzt entschieden zu wenig da, um die Chancen nutzen zu können." Seiner Meinung nach hätten die Milliarden besser in andere Bereiche investiert werden sollen. "In die Sanierung von Schulen zu investieren, sieht natürlich immer sinnvoll aus", sagt er, wirklich in der Krise dagegen sei beispielsweise die Maschinenbaubranche gewesen. "Hier aber kann der Staat nicht so offensichtlich etwas tun." Auch die Abwrackprämie verurteilt Döhrn als "typisches Vorzeigeprogramm". Dieser Teil des Konjunkturpakets habe der Automobilindustrie "kurzzeitig Gutes getan, jetzt jammern viele Hersteller darüber, dass nichts mehr los ist auf dem Markt." Und die Randbereiche der Branche - Kfz-Werkstätten, Gebrauchtwagenhändler, Zulieferer - lägen ganz am Boden.
Arbeitsplätze im Handwerk gesichert
Doch der Wissenschaftler hat nicht nur negative Kritik am Konjunkturpaket. Durchaus wirkungsvoll seien die Finanzspritzen für den Bürger gewesen. Die Senkung des Einkommensteuersatzes und auch der Kinderbonus, lobt Döhrn, hätten das Kaufverhalten der Verbraucher messbar positiv beeinflusst. "Einer der besten Effekte aber war der, die Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, ihre Mitarbeiter durch Kurzarbeit auch in der Krise halten zu können." Das habe die allgemeine Stimmung stark stabilisiert. Dass dadurch offenbar wirklich Arbeitsplätze erhalten werden konnten, zeigen die Zahlen im westfälischen Baugewerbe: 115.000 Beschäftigte gab es vor der Krise im Baugewerbe in NRW, sagt Verbandschef Schulte-Hiltrop. "Wohl dank des Konjunkturpakets ist diese Zahl bis heute weitgehend konstant geblieben."