Gutachten: Genehmigung rechtlich möglich
Neue Chance für Kraftwerk Datteln
Stand: 04.05.2011, 18:04 Uhr
Es kommt Bewegung in den Streit um das umstrittene Kraftwerk Datteln: Ein Gutachten im Auftrag des Regionalverbands Ruhr hält eine nachträgliche Genehmigung rechtlich für möglich. SPD und Grüne hatten angekündigt, dem Ergebnis folgen zu wollen.
Von Christina Hebel
Der Rechtswissenschaftler Martin Kment aus Münster stellt in seinem Gutachten fest, dass der Regionalverband Ruhr (RVR) ein Verfahren einleiten kann, um den Regionalplan nachträglich zu ändern. Ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren könne erfolgreich durchgeführt werden, heißt es weiter in der siebenseitigen Zusammenfassung der juristischen Expertise, die am Mittwoch (04.05.2011) veröffentlicht wurde: "Die Voraussetzungen für die Fortführung des Verfahrens liegen damit vor." Damit hätte das wegen Planungsfehlern gestoppte Kohlekraftwerk Datteln eine neue Chance.
Plötzlich Schwarzbau
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte im September 2009 den Bebauungsplan des rund 1,2 Milliarden Euro teuren Kraftwerks für ungültig erklärt, da es massiv gegen Umwelt- und Planungsrecht verstößt. Unter anderem machten die Richter geltend, dass sich die bereits im Bau befindliche Anlage nicht an dem Standort befindet, an dem es in dem gültigen Regionalplan ausgewiesen ist. Zudem liegt das Kraftwerk zu nah an Wohngebieten. Datteln war somit plötzlich ein Schwarzbau. Mit einem Zielabweichungsverfahren könnte der RVR dies im Nachhinein verändern, was insbesondere bei den Grünen, auch in Düsseldorf, sehr umstritten ist.
Folgen SPD und Grüne dem Gutachten?
Die rot-grüne Koalition im RVR hatte das Gutachten veranlasst. Dass es so eindeutig ausfällt, damit hatte wohl niemand gerechnet. SPD und Grüne hatten den Gutachter Kment selbst ausgesucht. Bezahlt und beauftragt wurde der Privatdozent vom Energieversorger Eon, der das Kraftwerk baut. Das ist so im NRW-Planungsgesetz vorgesehen. Danach muss der Maßnahmenträger alle erforderlichen Informationen beschaffen. Dazu gehören auch Stellungnahmen und Gutachten. Erstmals beraten wird der Planungsausschuss des RVR die Expertise Ende Mai.
Vor Beauftragung des Gutachtens hatten SPD und Grüne im RVR angekündigt, sich an das Ergebnis der juristischen Expertise halten zu wollen. Damit wäre der Weg für das nachträgliche Änderung des Regionalplans in Datteln frei. Davon geht der zuständige Planungsdezernent, Thomas Rommelspacher, nun aus. "Ich bin erleichtert", sagte er WDR.de.
Planungsdezernent: Datteln nicht zu verhindern
Er hatte bereits Ende letzten Jahres im WDR-Magazin Westpol deutlich gemacht, dass nach dem Umwelt- und Planungsrecht das Kohlekraftwerk zu genehmigen, Datteln nach strenger Prüfung der Gesetze nicht zu verhindern sei. "Das Grundproblem ist, dass ein modernes Klimaschutzgesetz fehlt. Datteln wird fünf bis sechs Millionen Tonnen CO2 im Jahr ausstoßen, das ist heftig." Aber nach jetzigem Gesetz sei das Kraftwerk eben nicht zu verhindern, sagte Rommelspacher, der ausgerechnet ein Grüner ist. Der 64- Jährige geht nun am 20. Mai in den Ruhestand. Mit seinem Nachfolger Martin Tönnes, bisher Fraktionschef der Grünen im RVR, sei er sich beim Thema Datteln nicht einig geworden, so Rommelspacher.
Rot-Grün in Düsseldorf spielt auf Zeit
Der Druck auf ihn war in den vergangenen Monaten erheblich. Rommelspacher sorgte mit seinen Aussagen für Aufregung bei den Grünen-Parteifreunden im RVR, störte aber auch den Koalitionsfrieden der rot-grünen Regierungskoalition in Düsseldorf erheblich. Da versucht man das Thema, so gut es geht, für den lieben Koalitionsfrieden auf die lange Bank zu schieben. Abgeordnete und Minister von Rot-Grün sprechen viel vom "schwarz-gelben Planungsmurks", für den man nicht nachträglich das Recht verbiegen wolle. Das sei eine Entscheidung der Gerichte. Dabei hält die SPD moderne und effiziente Kohlekraftwerke für sinnvoll. Es sind die Grünen, die sie wegen der Emissionen ablehnen. Und so wollte sich Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen zu dem neuen Gutachten und den Folgen für Datteln am Mittwoch nicht konkret äußern. Man wolle es "in Ruhe genau prüfen und bewerten".
Mehrere tausend Einwände erwartet
Sollte eine Änderung des Regionalplans für das Kraftwerk in Datteln im RVR beschlossen werden, müssten drei Monate lang alle Unterlagen öffentlich ausgelegt werden. Eine Eon-Sprecherin teilte am Mittwoch mit: Man gehe fest davon aus, dass das Verfahren "erfolgreich abgeschlossen" werde. Einwände von Anwohnern und Umweltschützern wird es aber wohl reichlich geben: Planungsdezernent Rommelspacher rechnet mit "mehreren tausenden". Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte bereits vor einigen Monaten ein Gutachten des Dresdner Professors Martin Schulte vorgelegt. Danach sei eine Änderung des Regionalplans rechtswidrig. Mit Klagen, auch von Anwohnern, ist also zu rechnen.