Punkten mit günstigen Mieten
Kreativwirtschaft im Hinterland
Stand: 26.08.2010, 17:17 Uhr
Die Kulturhauptstadt will die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet stärken. In Dortmund stellte Dieter Gorny am Donnerstag (26.08.2010) vor, wie die Starthilfe aussieht und wie es nach der Ruhr 2010 weitergehen soll.
Dieter Gorny ist nicht nur einer der künstlerischen Direktoren der Kulturhauptstadt. Als Gründer des Musiksenders Viva bekam er im Ruhr-2010-Team eine Spezialaufgabe: Er ist Direktor des "ecce", des "European Centre for Creative Economy". Auf Deutsch heißt das so viel wie "Europäisches Zentrum für Kreativwirtschaft". Zur Kreativwirtschaft zählen unter anderem Architekturbüros, Designagenturen, Spieleentwickler, Kunstgalerien oder Werbeagenturen. Ecce ist ein offizielles Institut der Ruhr 2010 GmbH und soll auch 2011 weitergeführt werden.
Ruhr-2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt bezeichnete "ecce" als "ersten großen Schritt für die Zukunft der Ruhr 2010". NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) sagte, das Institut könne einen Beitrag für die Strahlkraft des Wirtschaftsstandortes NRW leisten. WDR.de sprach mit dem künstlerischen Direktor.
WDR.de: Früher dachte man beim Ruhrgebiet vor allem an Bier, Kohle und Stahl. Sind das Branchen von gestern?
Dieter Gorny: Ein Strukturwandel bringt es mit sich, dass vorherige ökonomische Stärken nicht mehr die Stärken von heute sind. Das bezieht sich zwar auf den Stahlstandort und auf den Kohlestandort - aber man muss deutlich sagen, dass das Ruhrgebiet immer noch ein relativ starker Industriestandort ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich nicht um zukünftige Märkte und um neue kulturelle Ausdrucksformen kümmern muss. Und das ist auch einer der Gründe, weshalb die Ruhr 2010 als erste europäische Kulturhauptstadt die Kreativwirtschaft in das Programm voll integriert hat.
WDR.de: Sie haben gerade den Begriff "Kreativwirtschaft" aufgegriffen. Was ist das denn? Ist das ein Sammelbegriff für Menschen, die irgendwas mit Medien machen?
Gorny: Es ist in der Tat ein Sammelbegriff und es ist in der Tat ein Begriff, über den man sich prima streiten kann. Eine Definition besagt, Kreativunternehmer sind Produzenten von Kultur, die nicht subventioniert wird. Und da wird es spannend, denn da werden Inhalte produziert, die über die letzten Jahrzehnte massiv dazu beigetragen haben, den kulturellen Alltag der Leute zu bestimmen.
WDR.de: Wie zum Beispiel Computerspiele. Trotzdem können es sich viele Menschen nicht vorstellen, dass in dieser Branche wirklich eine wirtschaftliche Zukunft liegt. Lässt sich damit denn Geld verdienen?
Gorny: Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, dann haben wir in Deutschland immerhin fast 240.000 Unternehmen, die im Bereich Kreativwirtschaft tätig sind mit über einer Million Beschäftigte und einem Umsatz von über 65 Milliarden Euro. Und damit liegen wir, was das Bruttosozialprodukt angeht hinter der Automobilindustrie und dem Bankenwesen schon an dritter Stelle, noch vor Chemie und Energie. Das heißt, diese Unternehmen verdienen tatsächlich Geld. Sie sind oft mittelständisch organisiert, sie sind ein realer Wirtschaftsfaktor.
WDR.de: Sie haben die Situation der Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet analysiert und ein Förderkonzept entwickelt. Welche Art von Hilfe brauchen die Kreativen?
Gorny: Wir müssen uns Gedanken machen, wie man urbane Rahmenbedingungen schaffen kann, um die Bedingungen für die Kreativwirtschaft anzuschieben. Die Unternehmer brauchen im wahrsten Sinne des Wortes Freiräume, beispielsweise Büroräume. Die andere Seite ist: Wie kann ich überhaupt mit den Kreativunternehmern, die es schon gibt, in Kontakt treten? Das Ruhrgebiet fängt nicht bei null an. Wir haben, was die Beschäftigten in der Kreativwirtschaft angeht, nur etwas weniger als Köln. Deswegen haben wir einen ganz guten Ausgangspunkt. Ein Nachteil im Vergleich mit Köln ist allerdings, dass durch die zahlreichen Städte im Ruhrgebiet alles sehr dezentral ist.
WDR.de: Und wo könnten Sie beispielsweise auf die Kreativen zugehen?
Gorny: Während in Köln gerade die GamesCom einen großen Erfolg gefeiert hat, haben wir sozusagen als Hinterland für Entwickler ein Games-Cluster entwickelt, bei dem in Mülheim das Gründerzentrum Games Factory entstanden ist. Dieses Zentrum hat sich vernetzt mit dem deutschen Spieleentwicklerpreis in Essen und dem Living Games Festival, einer pädagogischen Messe, die in Bochum sitzt. Wir sind dafür da, diese Dinge zu strukturieren und den Leuten mitzuteilen: "Ihr könnt hier günstig entwickeln." Wir können auch mit enorm günstigen Mieten punkten. Gleichzeitig sagen wir aber auch den Städten: "Ihr müsst diese Umgebung - und das ist wichtig - mit denen, die da arbeiten sollen, zusammen entwickeln." Und das klappt ganz hervorragend. Gerade was zum Beispiel den Games-Bereich angeht.
WDR.de: Was ist, wenn die Kulturhauptstadt vorbei ist? Müssen es die Unternehmer bis dahin alleine geschafft haben?
Gorny: Wir haben immer gesagt, so ein Kulturhauptstadtjahr kann nur ein Initial-Zünder sein. Was die Förderung der Kreativwirtschaft angeht, ist die richtige Grundlage gelegt, um diese in Zukunft, in welcher Organisationsform auch immer, weiterführen zu können.
Das Interview führte Katrin Schlusen.