Forstwirtschaft im Zeichen des Klimawandels
Kyrill und der Klimawandel
Stand: 18.01.2010, 15:00 Uhr
Vor genau drei Jahren fegte der Orkan Kyrill über das Land. Der Sturm hat riesige Waldschäden hinterlassen, deren Folgen Förster und Waldbauern immer noch beschäftigen. Einige sehen darin auch eine Chance, den Wald für den Klimawandel fit zu machen.
Von Maximilian Böttner
"Das ist schon sensationell!" Andreas Scheible lehnt an dem Stamm eines 20 Meter hohen Küstenmammutbaums. Allerdings steht dieser nicht etwa in Nordamerika, wo diese Art üblicherweise wächst, sondern im Staatsforst Burgholz bei Wuppertal. "80 Zentimeter breit in 40 Jahren." Scheible ist Fachmann für fremdländische Baumarten und arbeitet für den Landesbetrieb Wald und Holz. Obwohl er die Bäume von Burgholz häufig inspiziert, muss er anscheinend immer wieder staunen, wie schnell der Küstenmammutbaum gewachsen und wie unempfindlich er gegen Frost ist.
In dem Wald bei Wuppertal wurden die unterschiedlichsten Baumsorten angepflanzt. Viele davon sind in Asien und Amerika beheimatet. Mitarbeiter des Landesbetriebs wie Andreas Scheible untersuchen hier, welche fremdländischen Bäume in den heimischen Wäldern gut gedeihen. Dabei berücksichtigen sie auch den Temperaturanstieg und die zunehmenden Dürreperioden als Folgen des Klimawandels. "Unsere Ergebnisse geben wir an Förster und Waldbauern weiter", sagt er. Wenn diese wegen des Orkans Kyrill viele Flächen wieder aufforsten müssen, sollten sie auch neue Arten einbeziehen, sagt Scheible.
15 Millionen Kubikmeter Holz aus dem Wald geschafft
Freie Flächen gibt es dafür genug: Kyrill hat am 18. und 19. Januar 2007 breite Schneisen in die Wälder geschlagen, am heftigsten im Sauerland. Inzwischen ist das Holz der Bäume, die Kyrill umgeknickt hat, aus den Wäldern geschafft. In ganz NRW waren es rund 15 Millionen Kubikmeter, sechs Prozent des Waldbestandes. Das Sturmholz wurde in sogenannten Nasslagern gestapelt, um den Markt nicht mit Ware zu überschwemmen. Dort wird das Holz zum Teil bis heute künstlich beregnet, um es gegen Schädlinge und Pilzbefall zu schützen. Viele der Nasslager gibt es in Südwestfalen, sie sollen aber in einigen Monaten aufgelöst werden.
Favoriten der Forstbotaniker
Besonders private Waldbesitzer haben die Folgen des Sturms getroffen. Nach Angaben des Waldbauernverbands in Nordrhein-Westfalen verwüstete der Sturm 40.000 Hektar Wald im privaten Besitz. Viele Waldbauern stehen immer noch vor der Frage, ob und wie sie aufforsten sollen. Entscheidend ist dabei oft die Wirtschaftlichkeit: Welche Bäume wachsen schnell und liefern ein gutes Produkt? Welche Arten sind gegen den Klimawandel gefeit?
An dieser Stelle hilft die Favoritenliste von Andreas Scheible. Zehn fremdländische Arten hat er aufgeführt, zu denen auch der Küstenmammutbaum gehört. Aber an der Spitze steht die "Große Küstentanne". "Die Abies grandis hat sich in Burgholz als die leistungsstärkste Tanne erwiesen", so Scheible. Zudem ist das Urteil der Holzindustrie eindeutig: Das Holz der Küstentanne sei leicht, habe wenig Harz und eigne sich gut zur Verarbeitung zu Spanplatten, berichtet Scheible.
Klimawandel macht heimische Bäume anfälliger
Die Natur sich selbst zu überlassen und auf die Naturverjüngung zum Beispiel durch Samenflug zu setzen, ist allerdings auch eine kostengünstige Alternative zur Aufforstung. "Aber ohne menschliche Eingriffe sind die Flächen in 80 Jahren wieder bis zu 90 Prozent mit Fichten bewachsen", sagt Norbert Asche. Und das könnte zum Problem werden. Asche beschäftigt sich für den Landesbetrieb Wald und Holz mit den Folgen des Klimawandels in der Forstwirtschaft. Eine Konsequenz: Nicht überall, wo jetzt Fichten stehen, werden sie auch in Zukunft gut wachsen können. Er geht davon aus, dass die Fichte in niederen Lagen unter 500 Meter anfälliger für Krankheiten und Schädlinge wird, wenn Wärme und Trockenheit zunehmen. Die Große Küstentanne hingegen habe sich als "trockentolerant" erwiesen.
Im Wald von Burgholz kommt Andreas Scheible noch auf einen weiteren Vorteil der Küstentanne zu sprechen. Sie hat ein weitverzweigtes Wurzelwerk und ist damit sehr stabil. Er zeigt auf ein etwa 30 Meter hohes Exemplar dieser Art und erzählt: "Nach einem Sturm waren rundherum die meisten Bäume umgefallen. Nur die Küstentanne nicht."