Angehörige von Opfern, Überlebende und Einsatzkräfte kamen zu einem Gottesdienst in der Duisburger Salvatorkirche zusammen. "In vielen Familien ist der Verlust, den dieser Tag in ihre Mitte gerissen hat, jeden Tag spürbar", sagte Uwe Rieske, der Landespfarrer für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zwei Jahre seien eine lange Zeit, wenn man jemanden vermisse. Rieske betonte, das gemeinsame Treffen habe allen Kraft gegeben. Die Mutter eines der Opfer sagte: "Auch wenn der Tod eines Kindes dem eigenen Tod sehr nahe kommt, müssen wir weiterleben."
Karl-Lehr-Tunnel für den Verkehr gesperrt
Nach dem Gottesdienst besuchten die Trauernden die Unglücksstelle am ehemaligen Duisburger Güterbahnhof. Gegen 14.00 Uhr wurde deswegen der sonst viel befahrene Karl-Lehr-Tunnel für den Verkehr gesperrt, damit sie in aller Stille der Opfer gedenken konnten. In diesem Tunnel war es am 24. Juli 2010 zu dem schrecklichen Gedränge gekommen, bei dem 21 Loveparade-Teilnehmer starben und über 500 Menschen verletzt wurden.
Mahnmarsch in die City
Nach der Trauer am Unglücksort beteiligten sich laut Polizei etwa 150 Menschen an einem Mahnmarsch in die Duisburger Innenstadt, wo am Dienstagabend (24.07.2012) eine Gedenkveranstaltung stattfand. Unter den Gästen war auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die zuvor mit Hinterbliebenen und Überlebenden am Unglücksort gewesen war. Kraft hatte vor zwei Jahren um ihren Sohn gebangt, der die Loveparade besuchte, aber unverletzt blieb. Bereits in der Nacht zum Jahrestag hatten sich Trauernde an der Unglücksstelle in der Nähe des Hauptbahnhofs versammelt.
Rede von neuem Oberbürgermeister
Der neue Oberbürgermeister der Stadt, Sören Link (SPD), entschuldigte sich bei einer Trauerfeier am Abend in mehreren Sprachen bei den Betroffenen und versprach eine rückhaltlose Aufklärung der Katastrophe. Sein Vorgänger Adolf Sauerland (CDU) war bei der Trauerfeier im vergangenen Jahr unerwünscht gewesen, weil er die politische Verantwortung für das Unglück nicht übernehmen wollte. Im Februar wurde Sauerland abgewählt. In seiner Ansprache sagte Link: "Es war eine einzigartige Tragödie". Der ersten Tragödie sei aber eine zweite gefolgt, "die quälend lange Zeit der Sprachlosigkeit in der Stadt". Dies wolle er nun ändern, Gräben zuschütten und Vertrauen zurückgewinnen, versprach Link.
Veranstalter schaltet Zeitungsanzeige
Nicht nur in Duisburg vor Ort wurde der Opfer gedacht. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschien am Dienstag eine Traueranzeige vom "Team der Loveparade", in der es heißt: "Wir bedauern aus tiefstem Herzen das Leid, das den Menschen widerfahren ist. Hätte es die Loveparade nicht gegeben, würden die Menschen noch leben." Der Veranstalter Lopavent hat die einst alljährlich stattfindende Massenparty nach der Katastrophe von Duisburg eingestellt. Ermittlungen der Justiz nach den Verantwortlichen für das Unglück richten sich auch gegen Mitarbeiter von Lopavent.
Zu enger Tunnel, zu wenige Ausweichflächen
Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt insgesamt gegen 17 Beschuldigte, darunter elf Bedienstete der Stadt. Der Zugang nahe dem engen Straßentunnel bot zu wenige Ausweichflächen. Außerdem fehlten etwa Lautsprecheranlagen für Durchsagen an die Menge. Kurz vor dem zweiten Jahrestag hatte die Sonderkommission der Polizei ihre Ermittlungen weitestgehend abgeschlossen.
Anwälte fordern Akteneinsicht
Zum Jahrestag forderten Anwälte der Betroffenen Akteneinsicht in dem Ermittlungsverfahren. "Wir haben ein Recht, ebenso gut vorbereitet wie die Beschuldigten unsere Rechte wahrzunehmen", hieß es in einer Erklärung. Weitgehend aufgebraucht sind inzwischen die Mittel aus einem Nothilfefonds des Landes, der Stadt, des Veranstalters und seiner Versicherung. Bis zu 20.000 Euro hatten vor allem die Opfer bekommen, die längere Zeit stationär behandelt werden mussten. Viele Traumatisierte, die bis heute nicht voll arbeitsfähig sind, brauchen aber weiter Hilfe.
Bis heute Albträume
"Ich hab' bis heute Albträume", sagte etwa Arno von Coll. Der Niederländer, der am Duisburger Hafen arbeitet, hat immer noch nicht in sein altes Leben zurückgefunden. "Ich bin über 40 - besser, ich wäre gestorben und Jüngere hätten überlebt." "Das Trauma ist noch lange nicht überwunden", sagte auch der Koordinator der Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche in Duisburg, Richard Bannert. "Hier kommen auch noch in 20 Jahren Betroffene hin und brauchen Betreuung."
Immerhin hatte es Anfang Juli nach langem Streit eine Einigung mit dem Eigentümer des Geländes über eine würdige Gedenkstätte gegeben. "Jetzt wird bald gebaut. Dann hat die Stadt endlich Frieden gefunden", sagte Frank Kopatschek, Sprecher der Stadt Duisburg.