Die Klage richtet sich gegen den Veranstalter Rainer Schaller, die Stadt Duisburg und das Land NRW als Dienstherren der Polizei. Es ist die erste Zivilklage, die sich gegen das Land NRW richtet. Nach Ansicht der Anwältin hätte die Polizei die Loveparade verhindern oder zumindest abbrechen können. "Es ist eine Situation entstanden, in der man gesehen hat, man hätte eigentlich reagieren müssen, aber keiner hat die Konsequenzen gezogen", sagt Bärbel Schönhof.
Aufsichtspflicht verletzt
Das ist durchaus brisant. Denn die im Februar 2014 veröffentlichte Anklage der Staatsanwaltschaft hatte sowohl bei der Polizei als auch bei Veranstalter Schaller kein strafrechtlich relevantes Verhalten hinsichtlich des Loveparade-Unglücks gesehen. Nach Schönhofs Meinung hat Schaller jedoch seine Aufsichtspflicht verletzt - als Geschäftsführer der Veranstalterfirma Lopavent habe er von den Schwierigkeiten während der Planung etwas mitbekommen müssen.
Die mit dem Land NRW erstmals beklagte Polizei habe - unabhängig von den Sicherheitskonzepten der Veranstalter - eine eigene Pflicht zur Gefahrenabwehr, so Schönhof. Sie hätte rechtzeitig eingreifen können, glaubt die Anwältin. Als Zeugen will sie den derzeitigen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) und seinen Vorgänger Ingo Wolf (FDP) befragen, den damaligen Duisburger Polizeipräsidenten Rolf Cebin und die damaligen Oberbürgermeister von Essen, Dortmund und Bochum.
"Umfangreiches Verfahren"
Schönhof geht davon aus, dass den Betroffenen im Zivilprozess bis zu 300.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz zugesprochen werden. Viele ihrer Mandanten haben ihren Angaben zufolge weiterhin mit massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen zu kämpfen. Ein Großteil sei aufgrund der Einschränkungen nicht arbeitsfähig. Die Betroffenen können jedoch nach Angaben von Schönhof frühestens in zwei Jahren mit einer Entscheidung rechnen. "Das wird ein sehr umfangreiches Verfahren", so die Anwältin.
Jörn Teich, ein Sprecher der Loveparade-Opfer, erklärte, auch vier Jahre nach der Katastrophe kämpften immer noch Überlebende um einen Therapieplatz. Familien seien zwischenzeitlich zerbrochen. Die Zahl der Todesopfer sei inzwischen durch Suizide auf 27 gestiegen. Viele Überlebenden hätten nach wie vor keinen Cent Unterstützung erhalten und müssten sich auch noch gegen Vorwürfe verteidigen, Betrüger und Simulanten zu sein. "So kann es in Zukunft nicht weitergehen", sagt Teich und fordert die Einrichtung einer Stiftung, die eine adäquate Nachsorge für die Traumatisierten und Verletzten gewährleistet.
Gedenkfeier am Donnerstag
Am kommenden Donnerstag (24.07.2014) jährt sich der Tag der Loveparade-Katastrophe zum vierten Mal. Anlässlich des Jahrestages veranstaltet die Stadt an dem Tag eine öffentliche Gedenkfeier. Darüber hinaus findet am Vorabend in der Gedenkstätte im Tunnel die "Nacht der Tausend Lichter" statt, organisiert von der Betroffeninitiative LoPa2010.