Wahlprogramme im Vergleich: Bildung und Lernen
Stand: 25.04.2012, 06:00 Uhr
Nach dem Kompromiss, der in der letzten Legislaturperiode von der rot-grünen Minderheitsregierung gemeinsam mit der CDU gefunden wurde, wurde so etwas wie Schulfrieden in NRW erreicht. Oder etwa nicht? In den Wahlprogrammen werden die unterschiedlichen Vorstellungen davon deutlich, wie die Schule der Zukunft aussehen soll und wie viel Bildung kosten darf.
SPD: Längeres gemeinsames Lernen
Die SPD will ein gerechtes Bildungssystem installieren und setzt dabei laut Wahlprogramm auf längeres gemeinsames Lernen. Sie will den Ganztag ausbauen, bis 2015 sollen alle Kinder und Jugendlichen ein Angebot in ihrer Nähe haben. Für die Umsetzung fordern die Sozialdemokraten in ihrem Programm die finanzielle Unterstützung des Bundes: "Hierzu streben wir eine Grundgesetzänderung an, die Investitionsförderung vom Bund in den Schulausbau möglich macht." Auch die außerschulische Jugendarbeit soll laut SPD ihren Beitrag zu Bildung und Betreuung leisten. Den Kinder- und Jugendförderplan will sie mit 100 Millionen Euro unterstützen.
Im Bereich Ausbildung wollen die Sozialdemokraten für ausreichend Plätze sorgen: "Alle jungen Menschen, ob mit oder ohne Zuwanderungshintergrund, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, erhalten einen Ausbildungsplatz", schreiben sie im Wahlprogramm. Um Lehre und Forschung zu stärken und allen Studierwilligen Zugang zu den Hochschulen zu ermöglichen, soll auch der Bund seinen finanziellen Verpflichtungen im Rahmen des Hochschulpaktes nachkommen. "Mit uns bleibt das Studium gebührenfrei", heißt es im SPD-Programm.
CDU: Vielfalt und Differenziertheit im Bildungssystem
Die CDU will laut Wahlaufruf am mehrgliedrigen Schulsystem in NRW festhalten: "Neben dem gestärkten Gymnasium und den fortbestehenden Haupt, Real- und Gesamtschulen wird die CDU die neuen Sekundarschulen zu einer attraktiven Säule des Schulwesens entwickeln." In der nächsten Legislaturperiode soll ein "Masterplan guter Unterricht" aufgelegt werden. Die Christdemokraten wollen den Unterrichtsausfall reduzieren, Ganztagsangebote ausbauen, sich für den Erhalt kleiner Grundschulen einsetzen und die Fortbildung für Pädagogen verbessern. Die Lehrpläne sollen von nicht mehr zeitgemäßen Inhalten bereinigt werden, Medienkompetenz eine stärkere Rolle spielen.
Für 2013 erwarten die Christdemokraten einen Ansturm auf die Hochschulen im Land. Ihrem Wahlaufruf folgend will die Partei als Sofortmaßnahme die notwendigen Studienplätze einrichten. Die abgeschafften Studiengebühren will die CDU nicht wieder einführen. "Wir werden die Qualität des Studiums […] ohne die Wiedereinführung der gerade abgeschafften Beiträge verbessern", heißt es in ihrem Wahlaufruf. Um dennoch einen verfassungskonformen und auf die Schuldenbremse ausgerichteten Landeshaushalt auf die Beine zu stellen, will die CDU neue Prioritäten setzen und das Geld an anderen Haushaltsstellen einsparen.
Bündnis 90/Die Grünen: Weiterführung des Schulkonsens
Die Grünen wollen den Schulkonsens weiterführen. In ihrem Wahlprogramm fordern sie das längere gemeinsame Lernen, mehr Sekundar- und Gesamtschulen, besser ausgebildetes Lehrpersonal. "Damit wollen wir den Aufstieg durch Bildung möglich machen, unabhängig von der sozialen Herkunft oder von Migrationsgeschichte", schreiben sie im Wahlprogramm. In allen Schulformen soll der Ganztag ausgebaut werden, zu dem nach Ansicht der Grünen auch ein gutes und gesundes Mittagessen gehört. Die Partei will sich für Qualitätsstandards einsetzen und Kinder aus einkommensschwachen Familien unterstützen. Einen weiteren Baustein der Bildungskette sehen die Grünen in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit, die sie laut Programm fördern wollen.
Der Übergang von der Schule zur Ausbildung soll den Grünen folgend effizienter werden. Sie wollen die Jugendlichen aus den Warteschleifen holen und fordern ein gesichertes Ausbildungsangebot für alle. Im Bereich Hochschule wollen die Grünen sich gegenüber dem Bund für eine Ausweitung des Hochschulpakts einsetzen, das Hochschulgesetz erneuern und landesweite Regelungen für mehr Mitbestimmung und Partizipation in Arbeit und Studium umsetzen.
FDP: "Beste Bildung für jeden statt Mittelmaß für alle"
Laut Wahlprogramm will die FDP "beste individuelle Förderung für jedes Kind, statt Mittelmaß für alle". In den Grundschulen sollen die Sprachförderung von Kindern ausgebaut und Medienerziehung in die Lehrpläne geschrieben werden. Die im Schulkonsens vereinbarte Privilegierung von Gesamt- und Sekundarschulen gegenüber Gymnasien und Realschulen ist nach Ansicht der Partei falsch. "Leistungsdifferenzierung und die damit verbundene individuelle Förderung der Schüler stellen unverrückbare Pfeiler eines liberalen Bildungssystems dar", heißt es im Programm. Das Gymnasium soll neben anderen Schulformen gleichberechtigt erhalten bleiben.
Für die Hochschulen fordert die FDP Autonomie und Freiheit von Wissenschaft und Forschung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dem Fachkräftemangel wollen die Liberalen mit praxisorientierten Berufsschulen und dualen Studiengängen entgegenwirken. Finanziert werden soll Bildung auch über Studiengebühren. Auch Hochschulabsolventen müssten einen verantwortungsvollen finanziellen Beitrag leisten, schreiben die Liberalen im Wahlprogramm. Diese Beiträge können nach ihrer Ansicht nachgelagert und erst mit Eintritt ins Berufsleben fällig werden.
Die Linke: Gebührenfreie Bildung für alle
Die Linken begreifen Bildung als staatliche Angelegenheit. Ihrem Wahlprogramm folgend will die Partei einen nationalen Bildungspakt einrichten und das Recht auf gebührenfreie Bildung in der Landesverfassung verankern. Das gegliederte Schulsystem in NRW will die Linke abschaffen, alle Kinder sollen von der ersten bis zur zehnten Klasse in einer integrativen Ganztagsschule gemeinsam lernen. Schulbücher und Mittagessen sollen dabei kostenlos sein, die Klassengröße auf 15 Personen begrenzt werden. Ebenfalls auf der Partei-Agenda stehen die sofortige Abschaffung des Sitzenbleibens und die Rücknahme der Schulzeitverkürzung (G8).
Im Bereich Ausbildung ist "allen Jugendlichen die umfassende Möglichkeit zur Berufsausbildung zu sichern", schreiben die Linken im Programm und fordern 60.000 zusätzliche qualifizierte Ausbildungsplätze im Jahr für NRW. Die Hochschulen wollen sie barrierefrei gestalten, das BAföG bedarfsdeckend, repressionsfrei und elternunabhängig ausbauen. Die Partei fordert die Rücknahme des Hochschulfreiheitsgesetzes und will die Mitbestimmung von Studierenden in allen Gremien erreichen. Um den Umbau des Bildungssystems zu finanzieren, sieht die Linke eine Erhöhung der öffentlichen Bildungsausgaben von 4,5 auf mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandprodukts vor.
Piraten: Einführung einer flexiblen Schullaufbahn
"Der Zugang zu Bildung ist auf allen Ebenen kostenfrei zu gewährleisten und vollständig durch die Gemeinschaft zu finanzieren", schreiben die Piraten in ihrem Programm. In NRW setzen die Piraten sich für ein eingliedriges Schulsystem und für eine flexible Schullaufbahn ein. Schüler sollen demnach nicht mehr im Klassenverband unterrichtet werden, sondern sich aus einem Kernprogramm individuelle Kurse zusammenstellen. Sitzenbleiben ist im Programm der Piraten nicht mehr vorgesehen. Gegebenenfalls müssten einzelne Fächer wiederholt werden. Das Konzept soll schrittweise umgesetzt und zunächst an einigen Modellschulen erprobt werden.
Das Hochschulfreiheitsgesetz wollen die Piraten überprüfen und die Finanzierung von Universitäten überdenken. Das Land müsse allen Universitäten genug Geld für Grundlagenforschung und Lehre zur Verfügung stellen, die Finanzierung durch Drittmittel sei kritisch. Außerdem fordert die Partei, BAföG an alle Studenten auszuzahlen. Zur Umsetzung sehen die Piraten eine deutliche Erhöhung der Ausgaben im Bildungshaushalt vor. Sie wollen gemeinsam mit dem Bund einen neuen Finanzierungsmodus vereinbaren.