Darf eine Politikerin den NSU-Untersuchungsausschuss führen, obwohl sie in ihrer Vergangenheit einen Rechtsextremisten vor Gericht vertreten hat? Diese Frage stellt sich seit Donnerstagabend (19.03.2015) im Düsseldorfer Landtag. Die SPD-Abgeordnete Nadja Lüders hatte in einer persönlichen Erklärung zugegeben, den stadtbekannten Dortmunder Rechtsextremisten Michael Berger anwaltlich vertreten zu haben. Berger wurde deutschlandweit bekannt, als er am 14. Juni 2000 drei Polizisten erschoss und sich danach selbst tötete. Lüders erklärte nun, in dem von ihr vertretenen Verfahren sei es um eine Kündigungsklage gegen Berger gegangen. Dabei habe es keinerlei politischen oder rechtsextremistischen Hintergrund gegeben. "Dieser Vorgang hat nichts mit den im Ausschuss zu untersuchenden Vorgängen zu tun", versichert die Ausschuss-Vorsitzende.
Lüders: "Er sah nicht wie ein Rechtsextremist aus"
Am Freitag (20.03.2015) nannte Lüders vor Journalisten weitere Details. Kennengelernt habe sie Berger im Jahr 1999. Damals hatte die Dortmunderin mit ihrem Mann eine Anwaltskanzlei eröffnet. Berger sei einer der ersten Mandanten gewesen, er habe sich auf eine Anzeige hin in der Kanzlei gemeldet. In seinem Verfahren, so Lüders, sei es um eine Klage gegen eine fristlose Entlassung gegangen. Berger hatte laut "Spiegel" in einem Autohaus gearbeitet und sich dort nicht gerade fleißig gezeigt. Dass Berger Rechtsextremist war, sei ihr nicht bekannt gewesen, versichert Lüders nun. Er habe weder so ausgesehen noch sich entsprechend geäußert.
Mit Hakenkreuz-Ring auf der Anwaltsparty
Allerdings war Berger Anfang 2000 angeblich uneingeladen auf der Einweihungsparty der neuen Kanzlei erschienen. Lüders sagt, andere Gäste hätten ihr später erzählt, dass Berger an diesem Tag einen Ring mit einem Hakenkreuz getragen habe. Ihr selbst sei das nicht aufgefallen. Nach der Party habe sie nie wieder Kontakt zu Berger gehabt. In Erinnerung geblieben ist ihr der damals 31-Jährige aber offenbar schon. Denn am Tag seines Amoklaufs im Juni 2000 hatte sich Lüders bei der Polizei gemeldet und Hilfe angeboten. Zu diesem Zeitpunkt war Berger aber schon tot. Lüders erzählt, dass sie damals im Radio von dem Vorfall gehört habe, und dabei sei der Name "Berger" gefallen. Sie habe dann gleich an ihren ehemaligen Mandanten gedacht.
Warum macht Lüders erst jetzt die Vorgänge öffentlich?
Warum aber berichtet Lüders erst jetzt von diesen Vorgängen? Lüders sagt, sie habe keinen Zusammenhang gesehen zwischen ihrer früheren Anwaltstätigkeit und dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses. Immerhin sei es in dem Verfahren nur um eine Kündigung gegangen. Sie als "Nazi-Anwältin" zu bezeichnen, wie es der Blog "Ruhrbarone" gemacht hat, sei "unter der Gürtellinie". Sie prüfe derzeit rechtliche Schritte. Außerdem, so Lüders, habe sie bereits Ende 2014 den SPD-Fraktionsvorstand über ihre Beziehung zu Berger informiert. Damals war die Entscheidung gefallen, Lüders als Vorsitzende in den Ausschuss zu schicken. Der Vorstand sah damals kein Problem.
Die anderen Fraktionen und die Öffentlichkeit informierte Lüders allerdings nicht. Das tat sie erst vergangene Woche, als in den Akten plötzlich ihr Name auftauchte. Denn Berger hatte die Visitenkarte der Kanzlei in seinem Geldbeutel, als er starb. Die Karte findet sich nun in den Unterlagen des Ausschusses. Ob Berger Kontakt zum NSU hatte, ist eine der Fragen, denen der Ausschuss nachgeht. Hinweise auf diese These gibt es laut Verfassungsschutz bislang nicht.
CDU kritisiert Lüders' Schweigen als "unglücklich"
Abgeordnete anderer Fraktionen im Ausschuss reagierten am Freitag überrascht über die Entwicklung. Die Obfrau der Grünen im Ausschuss, Verena Schäffer, nimmt Lüders aber in Schutz: "An Lüders politischer Haltung und ihrem Aufklärungswillen hege ich keinerlei Zweifel", sagte Schäffer dem WDR. Der Obmann der CDU, Peter Biesenbach, kritisiert Lüders. Ihre Tätigkeit für Berger hätte "in die Öffentlichkeit gehört", sagt er dem WDR. Dass die Sache erst jetzt bekannt werde, sei "unglücklich". Biesenbach: "Wir müssen darauf achten, jeden Verdacht vom Ausschuss fern zu halten.
Auch andere Abgeordnete in der Kritik
Lüders ist nicht die erste Abgeordnete des Untersuchungsausschusses, der Befangenheit vorgeworfen wird. Die Initiative "NSU-Watch" hatte im November den SPD-Mann Andreas Kossiski kritisiert. Er war im Juni 2004, zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlags in Köln, in der Pressestelle des Polizeipräsidiums Köln beschäftigt. Kritik gab es auch an der Berufung des SPD-Abgeordneten Andreas Bialas aus Wuppertal und des Piraten Dirk Schatz. Beide waren vor ihrer Abgeordnetenzeit Polizisten.